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Die Aufklärung muss zum richtigen Zeitpunkt stattfinden, d.h. rechtzeitig (§ 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB). Der Patient muss die Zeit haben, ohne Zeitdruck das Für und Wider des geplanten Eingriffes abwägen zu können.[164] Bei Patienten, die sich zunächst zu einer ambulanten Untersuchung vorstellen, sollte die Aufklärung über mögliche Risiken bereits mit Vereinbarung des genauen Aufnahme- und Operationstermins erfolgen. Denn durch eine Aufklärung erst bei stationärer Aufnahme besteht die Gefahr, dass der Patient schon psychische Barrieren aufgebaut hat, die es ihm zwar theoretisch, nicht aber de facto möglich machen, noch am Vortag von dem Eingriff selbst Abstand zu nehmen. Steht fest, dass der Eingriff in jedem Fall durchgeführt werden soll, dann hat auch gleichzeitig die Aufklärung zu erfolgen.[165] Anderes gilt, wenn erst eine stationäre Aufnahme zur weiteren Abklärung der Operationsindikation erfolgen muss. Entsprechende Risikoerklärung kann erst dann erfolgen, wenn die Indikation zum Eingriff selbst gestellt ist.

Einer Aufklärung am Vorabend einer Operation steht die Rechtsprechung grundsätzlich sehr zurückhaltend gegenüber. Regelmäßig wird der Patient bei einer so späten Aufklärung, gerade über für ihn gravierende Risiken, mit einer Entscheidung überfordert sein. Eine solche Aufklärung reicht grundsätzlich nur bei vitaler Indikation, d.h. bei absoluter Dringlichkeit des durchzuführenden Eingriffs.[166] Die Aufklärung über ganz allgemeine, fast schon für den medizinischen Laien bekannte Risiken, wie allgemeine Narkoserisiken, dürfte allerdings am Vorabend der Operation noch ausreichend sein.[167]

[165] OLG Koblenz v. 9.4.2009 – 5 U 621/08, VersR 2010, 770, 772, Pauge, S. 185 f.; vgl. auch OLG Hamm v. 1.12.2015 – 26 U 30/15, JurionRS 2015, 32746.
[166] BGH MDR 1992, 748; BGH MDR 1998, 716; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 401 f.; OLG Frankfurt GesR 2006, 127; OLG Brandenburg, GesR 2010, 610, 611. Anders das OLG Dresden, welches eine Aufklärung am Nachmittag vor dem Operationstag als ausreichend angesehen hat, OLG Dresden v. 21.8.2020 – 4 U 1349/18.
[167] Vgl. dazu ausführlicher: Müller, MedR 2001, 487 f.

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