Dr. Alexandra Jorzig, Ilse Dautert
aa) Auswahl des Sachverständigen
Rz. 159
Grundsätzlich hat das Gericht den Sachverständigen auszuwählen (§ 404 Abs. 1 ZPO). Dabei muss der Sachverständige aus dem betreffenden medizinischen Fachgebiet des beklagten Arztes stammen. Für Teilfragen kann ggf. eine ergänzende Stellungnahme eines Sachverständigen aus einem anderen Fachgebiet erforderlich sein. Wird das Gutachten von einem anderen als dem im Beweisbeschluss benannten Sachverständigen erstellt, kann das Gericht ggf. den Beweisbeschluss ändern. In jedem Fall sind die Parteien vor Änderung des Beweisbeschlusses anzuhören. Lässt sich eine Partei im Beweisaufnahmetermin rügelos auf die Anhörung eines nicht bestellten Sachverständigen ein, kann die Bestellung im Nachhinein nicht mehr angefochten werden. Der Verfahrensfehler ist dann gem. § 295 Abs. 1 geheilt. Ein von einem nicht bestellten Sachverständigen erstelltes Gutachten ist gleichwohl dann verwertbar, wenn der gerichtlicherseits bestellte Sachverständige sich die Ausführungen des ersten voll zu eigen macht.
Sachverständige können in engen Grenzen auch wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
bb) Verwertung anderer Gutachten, insbesondere Privatgutachten
Rz. 160
Bei einem Privatgutachten handelt es sich um einen qualifizierten, urkundlich belegten Parteivortrag. Nur dann, wenn beide Parteien mit der Verwertung eines derartigen Privatgutachtens im Verfahren einverstanden sind, kann auf die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens verzichtet werden. Die Parteien haben gem. §§ 397, 402 ZPO das Recht, den Sachverständigen zu seinem schriftlichen Gutachten mündlich zu befragen. Einem solchen Antrag muss das Gericht auch dann stattgeben, wenn es die schriftliche Begutachtung für ausreichend und überzeugend erachtet. Dies gilt nicht, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich oder verspätet gestellt ist.
Widersprüche innerhalb eines Gutachtens hat das Gericht von Amts wegen aufzuklären. Die Bewertung eines Behandlungsfehlers als "grob" darf das Gericht nicht ohne entsprechende medizinische Darlegungen des Sachverständigen treffen. Lassen sich Widersprüche zwischen mehreren Gutachten nicht aufklären und ist die Fachkompetenz eines oder mehrerer Gutachter nicht zweifelsfrei zu bejahen, kann unter den Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO ein weiterer Gutachter beauftragt werden. Dabei kennt die ZPO den Begriff des sog. Obergutachters nicht. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit sehr selten Gebrauch gemacht. Auch wenn es sich bei Privatgutachten nur um einen qualifizierten Parteivortrag handelt, ist das Gericht gleichwohl nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verpflichtet, sich mit diesen Gutachten sorgfältig auseinander zu setzen. Widersprüchen zwischen einem gerichtlichen Sachverständigen und einem Privatgutachter muss das Gericht nachgehen. Auch hier gelingt es nicht selten, durch gezielte Befragung des Gutachters die Widersprüche aufzulösen. Da die Anhörung eines Privatgutachters gesetzlich nicht vorgesehen ist, ist der Patientenseite zu empfehlen, ggf. den Privatgutachter in den Termin zur mündlichen Verhandlung mitzubringen. Die Gerichte sind erfahrungsgemäß großzügig, wenn es um die Einschaltung des Privatgutachters unmittelbar in die Diskussion der beweiserheblichen Fragen geht.