Dr. Alexandra Jorzig, Ilse Dautert
aa) Dokumentationspflicht
Rz. 61
Der Arzt muss die ärztliche Behandlung in ihren wesentlichen Grundzügen dokumentieren. Die Behandlungsdokumentation stellt das zentrale Beweismittel im Arzthaftungsprozess dar. Sie ist als Urkundsbeweis anerkannt und einer glaubwürdigen ärztlichen Dokumentation soll der Tatrichter Glauben schenken.
bb) Inhalt und Umfang der Dokumentationspflicht
Rz. 62
Die Dokumentation der Krankenunterlagen hat keinen Selbstzweck, schon gar nicht dient sie der Beweissicherung für eine forensische Auseinandersetzung; sie dient in erster Linie der Sicherheit des Patienten.
Der Umfang der Dokumentationspflicht wird durch das "medizinisch Notwendige" bestimmt, d.h. es sind "nur" die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zu dokumentieren. Eine Dokumentation in Stichworten reicht. Der Nachbehandler muss allerdings trotz stichwortartiger Aufzeichnungen das Behandlungsgeschehen nachvollziehen können. Zu dokumentieren sind die Anamnese, sämtliche erhobenen Befunde, ärztliche Anordnungen und Verordnungen sowie Anweisungen an die Funktions- und Behandlungspflege. Ferner sind die Verlaufsdaten (Operationsbericht, Narkoseprotokoll, ärztliche Verlaufskontrollen) zu dokumentieren. Grundsätzlich sind auch Zwischenfälle zu dokumentieren. Die Dokumentation muss zeitnah erfolgen, was in der Praxis nicht immer möglich ist (z.B. bei Notfallbehandlungen, bei denen zunächst die Behandlung im Vordergrund steht).
Der Arzt muss Auskunft darüber geben, welche Sicherungs- und Schutzmaßnahmen er bei elektronischer Datenspeicherung einsetzt, um nachträgliche Veränderungen zu verhindern. Nachträgliche Änderungen und Berichtigungen sind zulässig, jedoch muss der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleiben. Ist der Arzt der ihm berufsrechtlich auferlegten Verpflichtung zur Sicherung seiner Aufzeichnungen vor nachträglichen Veränderungen nicht nachgekommen, relativiert sich deren Beweiswert. Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Abs. 1 oder Abs. 2 BGB nicht aufgezeichnet oder die Patientenakte entgegen § 630f Abs. 3 BGB nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahmen nicht getroffen hat.
Rz. 63
Hohe Anforderungen stellt der BGH an die Dokumentationspflicht bei selbstständigem Operieren eines noch in Facharztausbildung stehenden Arztes, auch bei Routineeingriffen.
Befunde mit negativem Ergebnis sind zu dokumentieren, wenn sie für die Diagnostik und die Therapie wichtig sind.
cc) Rechtliche Konsequenzen von Dokumentationsmängeln
Rz. 64
Als Behandlungsfehler können Dokumentationsmängel nur dann eine Haftung auslösen, wenn infolgedessen eine falsche Therapie, z.B. eine Übertherapie, durchgeführt wird. Entsprechendes gilt für den Fall, dass Unterlagen zu früh vernichtet werden. Gelegentlich können Dokumentationslücken den Beginn der Verjährung hinausschieben, z.B. dann, wenn gerade die Dokumentationslücke entscheidend für die Kenntnis des Patienten ist.
In jeden Fall sind Dokumentationsmängel kein eigenständiger Anknüpfungspunkt für eine vertragliche und/oder deliktische Haftung. Dokumentationsmängel bzw. -lücken haben aber beweisrechtliche Konsequenzen: Fehlt es an der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme, kann unterstellt werden, dass diese Maßnahme tatsächlich nicht durchgeführt worden ist.
Stellt das Unterlassen der (aufzeichnungspflichtigen) Maßnahme einen groben Behandlungsfehler dar, kann ein Dokumentationsmangel (mittelbar) sogar zur Beweislastumkehr führen. Den Vorwurf, eine bestimmte (aufzeichnungspflichtige) Maßnahme sei unterblieben, kann der Arzt im Prozess durch Zeugenbeweis entkräften. Das gilt auch für ein nicht aufgezeichnetes Aufklärungsgespräch.