Dr. Alexandra Jorzig, Ilse Dautert
aa) Passivlegitimation
Rz. 88
Für den Rechtsanwalt, der den Patienten vertritt, ist es von besonderer Bedeutung, welche Partei verklagt wird. Wenngleich es gem. § 50 ZPO Pflicht des Gerichts ist, die Passivlegitimation von Amts wegen zu überprüfen, besteht diesbezüglich ein nicht unerhebliches Risiko des verklagenden Anwalts, selbst in Regress genommen zu werden, da eventuell die falsche Partei verklagt wird und somit die Gefahr besteht, dass die Ansprüche gegen den "richtigen" Gegner in der Zwischenzeit verjähren.
Die Parteibezeichnung ist der Auslegung zugänglich, so dass bei einer fehlerhaften Bezeichnung der Beklagten entscheidend ist, wie die Bezeichnung aus objektiver Sicht zu verstehen ist. Bei der Auslegung ist der Inhalt der gesamten Klageschrift maßgeblich. Unerheblich ist, wenn die irrtümlich bezeichnete Prozesspartei gar nicht existiert.
Im Bereich der Passivlegitimation müssen drei Bereiche Berücksichtigung finden. Diese drei Bereiche sind die Verursacherhaftung, die Vertragshaftung und die Rechtsscheinhaftung. Es ist insofern grundsätzlich danach zu fragen, wer auf der anderen Seite gehandelt hat und welche rechtlichen Konstellationen dahinter stehen. Je nach Konstellation werden Fragen bezüglich der Passivlegitimation aufgeworfen, die von entsprechender Erheblichkeit sind. Im Folgenden sollen deshalb die einschlägigsten Konstellationen dargestellt werden:
(1) Amtsarzt
Rz. 89
Wird der Amtsarzt in Ausführung seines öffentlichen Amts tätig, haftet er nicht persönlich, da dann das Beamtenprivileg eingreift. Ein Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Patienten besteht nicht; es kommen lediglich Amtshaftungsansprüche in Betracht.
(2) Anästhesist
Rz. 90
Der Anästhesist haftet für seine Behandlungsfehler selbst; er ist nicht Erfüllungsgehilfe des Operateurs.
(3) Ärztlicher Notfalldienst
Rz. 91
Der Notfalldienst tuende Arzt haftet selbst aus Vertrag oder Delikt. Der Notfallarzt kann Verrichtungsgehilfe des niedergelassenen Arztes sein, sofern er den Notfalldienst übernimmt.
(4) Arzt in eigener Praxis
Rz. 92
Mit Ärzten in eigener Praxis kommt stets ein eigener Behandlungsvertrag zustande, so dass diese auch vertraglich haften.
(5) Assistent in Arztpraxis
Rz. 93
Der Assistent in einer Arztpraxis haftet selbstständig aus Delikt, jedoch nicht aus Vertrag, da der Vertrag mit dem eigentlichen Praxisinhaber zustande kommt.
(6) Assistent im Krankenhaus
Rz. 94
Der Assistent im Krankenhaus haftet deliktisch, jedoch nicht vertraglich, da kein eigenständiger Vertrag mit dem Patienten zustande kommt.
Zu beachten ist, dass ein Arzt, der nur das Aufklärungsgespräch fehlerhaft durchführt, ebenso zur Haftung herangezogen werden kann.
(7) Belegarzt
Rz. 95
Der Belegarzt haftet für die von ihm begangenen fehlerhaften Behandlungen selbst, nicht das Krankenhaus. Im Rahmen seiner Leistungen und seines Fachgebiets haftet der Belegarzt gem. § 278 BGB auch für das am Krankenhaus angestellte ärztliche und nicht-ärztliche Personal, soweit es ihm bei der Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeiten aus dem Belegarztvertrag mit dem Patienten behilflich ist.
(8) Beleghebamme
Rz. 96
Hier gilt das gleiche wie für den Belegarzt.
(9) Belegkrankenhaus
Rz. 97
Das Belegkrankenhaus ist in der Regel lediglich zur Leistung der allgemeinen Krankenhausleistungen verpflichtet. Die ärztliche Behandlung erfolgt dann durch den Belegarzt. In diesem Rahmen hat auch eine Abgrenzung der Haftung stattzufinden. Das Belegkrankenhaus haftet für Fehler im Rahmen der Grund- und Behandlungspflege sowie der ärztlichen Leistungen außerhalb des Fachbereichs des Belegarztes bzw. der Beleghebamme.
(10) Chefarzt
Rz. 98
Liegt ein totaler Krankenhausaufnahmevertrag (siehe hierzu Rdn 102) zugrunde, wird der Chefarzt als Erfüllungsgehilfe des Krankenhauses tätig und es kommt somit kein eigener Behandlungsvertrag zum Patienten zustande. Liegt ein Arztzusatzvertrag vor, so wird der Chefarzt Vertragspartner des Patienten und haftet somit aus Vertrag. Für Chefärzte entfällt auch die Möglichkeit des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB, des sog. Entlastungsbeweises, da Chefärzte eine organähnliche Stellung innehaben, so dass stets eine Haftung gem. §§ 89, 31 BGB des Krankenhausträgers gegeben ist. Ist der Chefarzt durch eine sog. Ermächtigung berechtigt, Kassenpatienten auch ambulant zu behandeln, so kommt lediglich ein Vertrag zwischen ermächtigtem Chefarzt und Patient zustande und nicht zwischen Patient und Krankenhausträger. Anders ist es, wenn ein Patient in der Notfallambulanz behandelt wird. Eine solche Notfallambulanz wird stets vom Krankenhausträger betrieben und somit kommt dann der Vertrag mit dem Krankenhausträger und nicht mit dem ermächtigten Chefarzt zust...