Dr. Alexandra Jorzig, Ilse Dautert
Rz. 162
Grundsätzlich kann eine Partei nur die Vernehmung der Gegenpartei zum Beweis einer Tatsache antreten, vgl. § 445 ZPO. Ausnahmsweise jedoch kann gem. § 448 ZPO die beweisbelastete Partei selbst als Partei vernommen werden. Dies steht im Ermessen des Gerichts, da § 448 ZPO eine Ausnahme des sonst im Zivilprozess herrschenden Beibringungsgrundsatzes darstellt und somit die Parteivernehmung von Amts wegen durchgeführt werden kann. Für die Durchführung einer Parteivernehmung i.S.d. § 448 ZPO müssen jedoch die Voraussetzungen zunächst erfüllt sein. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass alle angebotenen, zulässigen und erheblichen Beweise erhoben worden sind und dass diese zu einem nicht ausreichenden Beweisergebnis geführt haben. Dies bedeutet, dass aufgrund der erhobenen Beweise das Gericht weder eine Überzeugung von der Wahrheit noch von der Unwahrheit der zu beweisenden Behauptung erlangt hat; es muss also eine echte Non-liquet-Situation bestehen. Ferner muss aber die rechtliche Gesamtwürdigung von Verhandlung und bisheriger Beweisaufnahme eine gewisse, nicht notwendig hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung erbringen, d.h. es muss mehr für als gegen sie sprechen, "einiger Beweis" muss bereits erbracht sein. Dies bedeutet, dass ein sog. Anscheinsbeweis der Behauptung vorliegen muss.
Liegen nun diese Voraussetzungen des § 448 ZPO vor, bleibt es dem Gericht, zu entscheiden, welche Partei es vernimmt; hierbei kommt es nicht auf die Verteilung der Beweislast an. Maßgeblich hierfür ist, welche Partei zum Beweisthema überhaupt eigene Wahrnehmungen bekunden könnte. Für den Arzthaftungsprozess, in dem die Anwendung des § 448 ZPO zulässig ist, entfaltet § 448 ZPO bezüglich der Aufklärung, bei der die Beweislast beim Arzt liegt, besondere Bedeutung. Dies sei anhand eines Beispiels deutlich gemacht: In der Krankenunterlage steht lediglich das Wort "Aufklärung" vermerkt. Tatsächlich hat aber ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit Darlegung sämtlicher Risiken stattgefunden. Zeugen oder ein ausführlicher Aufklärungsbogen stehen nicht zur Verfügung, so dass hier keine Beweismittel für das ausführliche Aufklärungsgespräch heranzuziehen sind. In einem solchen Fall kann dieses Aufklärungsgespräch dann nur durch den behandelnden Arzt selbst, der das Aufklärungsgespräch persönlich durchgeführt hat, im Einzelnen bezeugt werden. Insoweit kann dann § 448 ZPO greifen und der Arzt kann hierzu en detail schildern, über welche Risiken er aufgeklärt und in welcher Form er es dem Patienten dargelegt hat. Mithin ist die Vernehmung des Arztes in manchen Fällen als unerlässlich anzusehen, will man die Aufklärungsrüge aus der Welt schaffen. Aus diesem Grund ist besonderes Augenmerk auf die Parteivernehmung der beweisbelasteten Partei, insbesondere im Rahmen der Aufklärung, zu legen und die Parteivernehmung sollte – auch wenn sie im Ermessen des Gerichts steht – im Rahmen eines Beweisantritts dem Gericht gegenüber angeregt werden. Nicht selten wird dieses Beweismittel – auch durch Gerichte – außer Acht gelassen.