Dr. Alexandra Jorzig, Ilse Dautert
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 164
Sämtliche Anspruchsvoraussetzungen sind noch nicht abschließend geklärt, einige Voraussetzungen sind noch nicht erfüllt und eine Haftung kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Zudem besteht auf beiden Seiten, d.h. also sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite, ein gewisses Prozessrisiko. Ein beiderseitiges Nachgeben erscheint angezeigt.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 165
Begrifflich bedeutet Vergleich die "Beseitigung eines Streits oder der Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens". Der Vergleich (außergerichtlich oder gerichtlich) ist ein gegenseitiger Vertrag, so dass die entsprechenden Vorschriften des BGB Anwendung finden. Ein solcher Vergleich ist grundsätzlich formlos möglich, jedoch sollte aus Beweisgründen dieser Vergleich schriftlich abgeschlossen werden. Der Prozessvergleich, der zugleich Vollstreckungstitel ist, bedarf jedoch der Form. Er muss vor Gericht in Anwesenheit der Parteien oder deren Vertreter geschlossen und ordnungsgemäß beurkundet sein. Hinsichtlich der Vertragsparteien des Vergleichs gilt, dass der Geschädigte bzw. sein gesetzlicher Vertreter den Vergleichsvertrag unterzeichnet. Für den Schädiger wird in der Regel der hinter ihm stehende Haftpflichtversicherer als Bevollmächtigter des Versicherungsnehmers den Vergleichsvertrag abschließen. Bei Minderjährigen ist der Vergleich von beiden Erziehungsberechtigten zu genehmigen, bei nichtehelichen Kindern von der Mutter bzw. von beiden Elternteilen und bei Geschiedenen bzw. getrennt Lebenden vom Sorgeberechtigten. Sofern ein Vormund bzw. Pfleger bestellt ist, ist für einen Vergleich über 3.000 EUR die familiengerichtliche bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich. Bei Schwerverletzten mit Hirnschäden muss auch immer die Gefahr einer Geschäftsunfähigkeit nach §§ 104 Nr. 2, 105 BGB bedacht und die Erforderlichkeit einer Pflegschaft geprüft werden. Der Pfleger wirkt dann beim Vergleichsabschluss mit, das Betreuungsgericht muss den Vergleich genehmigen. Sofern Bedenken hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit eines Schwerverletzten bestehen, sollte der Vergleich auch vom Rechtsanwalt des Schadensersatzberechtigten mit unterzeichnet werden. Durch den Abfindungsvergleich werden zumeist die gesamten Schadensersatzansprüche für Vergangenheit und Zukunft aus dem Haftpflichtschaden abgegolten. Häufig enthält der Vergleich auch einen Verzicht auf alle Ansprüche gegen jeden weiteren gesamtschuldnerisch haftenden Dritten. Dadurch soll verhindert werden, dass der regulierende Haftpflichtige nach Zahlung der Abfindungssumme mit Ausgleichsansprüchen Dritter konfrontiert wird.
Grundsätzlich wirkt der Vergleich nur zwischen den Vertragsparteien. Übergegangene Ansprüche kann der Geschädigte nicht geltend machen und sie können daher auch nicht in einen Vergleich einbezogen werden. Insofern ist grundsätzlich bei Abschluss eines Vertrags zu berücksichtigen, dass die auf Sozialversicherungs- bzw. Sozialhilfeträger oder andere Drittleistungsträger übergegangenen Ansprüche vom Vergleich ausgenommen sind.
3. Checkliste: Prozessvergleich
Rz. 166
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Zustimmung durch Familiengericht bzw. Betreuungsgericht erforderlich? |
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Sämtliche Beteiligten in Vergleich aufnehmen |
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Sämtliche evtl. Folgenansprüche ausschließen → Abfindungsvergleich |
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Gesamten Behandlungszeitraum erfassen |
4. Muster: Prozessvergleich
Rz. 167
Muster 5.9: Prozessvergleich
Muster 5.9: Prozessvergleich
1. |
Die Beklagten zu _____ verpflichten sich, als Gesamtschuldner an den (die) Kläger einen Betrag von _____ EUR zu zahlen. |
2. |
Mit der Zahlung des in Nr. 1 genannten Betrages sind alle Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten und _____ aus der Behandlung vom _____ bis _____ im _____-Krankenhaus (oder in der Praxis _____ usw.) erledigt, gleich ob bekannt oder unbekannt, vom Vorstellungsvermögen der Parteien erfasst oder nicht. |
3. |
Die Klägerin versichert ihrerseits, keine Regressansprüche gegen mögliche weitere Unbeteiligte, insbesondere _____ gestellt zu haben oder auch in Zukunft zu stellen. Sollte das gleichwohl geschehen und sollten die Beklagten oder einer von ihnen von _____ oder deren Haftpflichtversicherer im Innenverhältnis in Regress genommen werden, wird die Klägerin den Beklagten von jedweder Inanspruchnahme insoweit freistellen. |
4. |
Zwischen den Vergleichsschließenden besteht Einvernehmen, dass es der Klägerin nicht verwehrt ist, von ihr verauslagte Kosten und noch zu verauslagende Kosten für medizinische Behandlungsmaßnahmen bei ihrer privaten Krankenversicherung und/oder der Beihilfestelle geltend zu machen, und zwar unbeschadet der Frage, ob und in welchem Umfang diese gegen _____ Rückgriff nehmen. |
5. |
Von dieser Vereinbarung sind alle Ansprüche ausgenommen, die auf Dritte übergegangen sind und/oder ... |