I. Stichtag

 

Rz. 18

Nach § 1802 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Nachlasspfleger "das Vermögen, das bei der Anordnung der Vormundschaft vorhanden ist oder später dem Mündel zufällt, zu verzeichnen und das Verzeichnis, nachdem er es mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit versehen hat, dem Familiengericht einzureichen".

 

Rz. 19

§ 1802 BGB gilt über § 1915 BGB für die Nachlasspflegschaft entsprechend. Das Nachlassverzeichnis ist beim Nachlassgericht einzureichen. Fraglich ist, welcher Stichtag für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses gilt.

 

Rz. 20

Aus dem Wortlaut des § 1802 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass das bei der Anordnung der Nachlasspflegschaft vorhandene Nachlassvermögen zu verzeichnen ist. Schon die Bestimmung dieses Zeitpunkts bereitet Schwierigkeiten. Zum einen kann dies das Datum des gerichtlichen Beschlusses sein, aber auch der Tag, an dem der Beschluss dem Nachlasspfleger zugeht oder aber der Tag, an dem der Nachlasspfleger verpflichtet wird.[11]

 

Rz. 21

Richtigerweise – und so handhaben es auch die Nachlassgerichte – wird als Stichtag der Todestag des Erblassers herangezogen, weil dies auch eine Stütze im Gesetz findet. So findet man in den Vorschriften zur Inventarerrichtung die Regelung in § 2001 Abs. 1 BGB:

Zitat

"In dem Inventar sollen die bei dem Eintritt des Erbfalls vorhandenen Nachlassgegenstände und die Nachlassverbindlichkeiten vollständig angegeben werden".[12]

 

Rz. 22

Auf den Todestag ist die gesamte Wertfeststellung des Nachlasses vorzunehmen. Dies erleichtert auch die Erstellung der Erbschaftsteuererklärung, die auf den Todestag zu errichten ist (vgl. § 11 ErbStG).

[11] Zimmermann, Nachlasspflegschaft, Rn 438 m.w.N.
[12] Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, Rn 792.

II. Inhalt des Verzeichnisses

 

Rz. 23

In das Nachlassverzeichnis ist der gesamte Aktivnachlass und auch der gesamte Passivnachlass (Nachlassverbindlichkeiten) aufzunehmen.

Für die Gestaltung des Nachlassverzeichnisses kann auf bewährte Muster aus Fachliteratur und Internet zurückgegriffen werden. Die jeweiligen Nachlassgegenstände sind so genau wie möglich zu bezeichnen, um Verwechslungen und/oder Missverständnisse zu vermeiden.

 

Rz. 24

Obwohl das Gesetz Wertangaben im Verzeichnis nicht ausdrücklich vorsieht, sind die Nachlassgegenstände auch wertmäßig zu erfassen. Sollte zum Beispiel bei Grundbesitz ein Verkehrswertgutachten nicht vorliegen, kann der Nachlasspfleger im Rahmen einer ersten Schätzung Werte angeben. Ist dies nicht möglich, sollte jedenfalls ein "Erinnerungswert" von 1 EUR angegeben werden.

 

Rz. 25

Bei der Aufnahme der Nachlassverbindlichkeiten ist § 1967 BGB zu beachten. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.

 

Rz. 26

Bei Erblasserschulden handelt es sich um zu Lebzeiten des Verstorbenen begründete Schulden. Entscheidend ist dabei, dass der Entstehungsgrund aus der Person des Erblassers vor oder mit dem Erbfall entstanden ist.

 

Rz. 27

Erbfallschulden entstehen (frühestens) mit dem Erbfall. Neben den Kosten für die Beerdigung (§ 1968 BGB) gehören hierzu Pflichtteilsrechte, Vermächtnisse, Auflagen und Zugewinnausgleichsforderungen (§ 1371 BGB).

 

Rz. 28

Nachlassverwaltungsschulden entstehen nach dem Erbfall und haben ihre Ursache in der Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses. Diese Schulden entstehen auch durch Handlungen des Erben. Sie werden auch als Nachlasskosten bezeichnet (z.B. Nachlasspflegervergütung, Gerichtskosten für die Nachlasspflegschaft). Auch die Kosten der Nachlassverwaltung durch den Erben fallen hierunter; allerdings nur dann, wenn es sich um Kosten einer ordnungsgemäßen Verwaltung handelt. Sind die Kosten entstanden, weil der Erbe nicht ordnungsgemäß verwaltet hat, sind es persönliche Verpflichtungen des Erben.

 

Rz. 29

Nachlasserbenschulden entstehen auch nach dem Erbfall. Für diese Schulden haften der Nachlass und der Erbe gleichermaßen.

Schwierig ist die Differenzierung bei Dauerschuldverhältnissen. So ist für Mietverhältnisse umstritten, ob es sich bei den nach dem Erbfall fällig gewordenen Mieten und den Kosten der Räumung um so genannte Nachlasserbenschulden handelt (für die der Erbe mit dem eigenen Vermögen und nicht nur beschränkt auf den Nachlass haften würde) oder um reine Nachlassverbindlichkeiten, so dass der Erbe seine Haftung durch Erhebung der Dürftigkeitseinrede auf den Nachlass beschränken könnte.

 

Rz. 30

Wird das Mietverhältnis durch Kündigung nach § 564 BGB beendet, handelt es sich um reine Nachlassverbindlichkeiten.[13] Kündigt der Erbe nicht nach § 564 BGB, setzt er das Mietverhältnis vielmehr fort, dürfte es sich bei den nach dem Erbfall fällig gewordenen Mieten und den Kosten der Räumung um so genannte Nachlasserbenschulden handeln.[14]

Für den Nachlasspfleger bedeutet dies, dass er auch die Mietverbindlichkeiten in das Nachlassverzeichnis aufnehmen muss, die nach dem Tod des (Allein-)Mieters entstanden sind. Wichtig ist, dass der Nachlasspfl...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?