Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 32
Kettenverleih (oder auch Weiterverleih genannt) liegt vor, wenn ein Entleiher die ihm von einem Verleiher überlassenen Leiharbeitnehmer nicht selbst einsetzt, sondern an andere Entleiher zur Arbeitsleistung weiterverleiht.
In der Praxis kann einerseits die Einschaltung von Subunternehmern dazu führen, dass der ursprüngliche Auftragnehmer zum Zwischenverleiher wird, wenn eine verdeckte oder missbräuchliche Arbeitnehmerüberlassung zwischen Subunternehmer und ursprünglichem Auftragnehmer erfolgt. Teilweise wird umgekehrt aber auch von Seiten des Entleihers ein sog. Industriedienstleister als Weiterverleiher zwischen geschaltet, um tarifvertragliche Branchenzuschläge zu vermeiden. Fälle des Kettenverleihs ergeben sich auch durch Kooperationen von Verleihunternehmen, die sich gelegentlich in Engpasssituationen Leiharbeitnehmer (gegenseitig) zur Verfügung stellen.
Rz. 33
Die Frage der Gesetzeskonformität des Kettenverleihs war bis zur Reform umstritten. Nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit sowie des LAG Berlin-Brandenburg war der Kettenverleih bereits vor der Reform unzulässig. Der Weiterverleiher könne nicht Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers sein. Er kann daher auch nicht die Weisungsbefugnis auf den (End-)Entleiher übertragen. Nur der Vertragsarbeitgeber des Leiharbeitnehmers ist rechtlich und tatsächlich in der Lage, die für das Leiharbeitsverhältnis kennzeichnende Übertragung der Weisungsbefugnis an den Entleiher vorzunehmen. Während Verleiher nur der Vertragsarbeitgeber des Leiharbeitnehmers sein könne, könne als Entleiher allein derjenige anzusehen sein, bei dem der Arbeitnehmer tatsächlich eingesetzt wird. Die Fiktionswirkung der §§ 9, 10 AÜG a.F. waren nach dieser Auffassung damit nur im Verhältnis Verleiher und (End-)Entleiher relevant. Nach anderer Ansicht war der Kettenverleih bis zur Reform zulässig, da § 1 Abs. 1 AÜG a.F. bisher nicht die Zwischenschaltung von weiteren Beteiligten ausschloss. Der (End-)Entleiher musste eine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses gem. §§ 9, 10 AÜG a.F. nur befürchten, wenn weder Verleiher noch Weiterverleiher über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügten, da der Kettenverleih wie zwei hintereinandergeschaltete Arbeitnehmerüberlassungen zu behandeln sei und damit nur bei doppelter illegaler Arbeitnehmerüberlassung bis zum (End-)Entleiher durchgriff.
Rz. 34
Dies führte zu folgenden Fallkonstellationen:
a) Verleiher und Entleiher verfügen über eine AÜ-Erlaubnis:
Nach beiden Auffassungen war aufgrund der Legalität der Arbeitnehmerüberlassung das Arbeitsverhältnis zum Erst-Verleiher wirksam und blieb trotz Kettenverleih bestehen. Darauf, ob man von zwei hintereinandergeschalteten Überlassungen ausging oder nicht, kam es in diesem Fall nicht an.
b) Der Verleiher verfügt über eine AÜ-Erlaubnis, der Weiterverleiher nicht:
Auch in diesem Fall blieb das Arbeitsverhältnis zum Verleiher wirksam. Die zweite Ansicht begründete dies trotz zweiter illegaler Überlassung damit, dass dem Leiharbeitnehmer bereits ein zuverlässiger Arbeitgeber zur Verfügung stehe.
c) Nur der Weiterverleiher verfügt über eine AÜ-Erlaubnis:
Nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit sowie des LAG Berlin-Brandenburg spielte die Erlaubnis des Weiterverleihers keine Rolle. Aufgrund der fehlenden Erlaubnis des Vertragsarbeitgebers wurde ein Arbeitsverhältnis zum (End-)Entleiher fingiert.
Bei der Annahme von zwei hintereinandergeschalteten Arbeitnehmerüberlassungen war die erste Überlassung zwischen Verleiher und Weiterverleiher unwirksam, weswegen die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Weiterverleiher eintrat. Ein Arbeitsverhältnis zum (End-)Entleiher kam wegen der AÜ-Erlaubnis aber nicht in Frage.
d) Verleiher und Weiterverleiher verfügen über keine AÜ-Erlaubnis:
Nach erster Ansicht wurde bereits aufgrund der fehlenden AÜ-Erlaubnis des Verleihers ein Arbeitsverhältnis zum (End-)Entleiher begründet, nach zweiter Auffassung führte die doppelte illegale Arbeitnehmerüberlassung zum gleichen Ergebnis.
Die Ansichten führten damit zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn nur der Weiterverleiher über eine Arbeitnehmerüberlassung verfügte. Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu gab es allerdings bisher keine. Unbestritten war aber bereits vor der Reform, dass das Gesetz an den Kettenverleih selbst ohne eine illegale Arbeitnehmerüberlassung keine unmittelbaren Sanktionen nach §§ 9, 10 AÜG knüpfte.