Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 44
Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 AÜG, welche Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Gesetzes regelt, lautet auszugsweise wie folgt:
(3) Dieses Gesetz ist mit Ausnahme des § 1b Satz 1, des § 16 Absatz 1 Nummer 1f und Absatz 2 bis 5 sowie der §§ 17 und 18 nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung […]
2b. zwischen Arbeitgebern, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu dem anderen Arbeitgeber verlagert werden und aufgrund eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes
a) das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und
b) die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird,
2c. zwischen Arbeitgebern, wenn diese juristische Personen des öffentlichen Rechts sind und Tarifverträge des öffentlichen Dienstes oder Regelungen der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften anwenden, oder […].
Rz. 45
Das Gesetz sieht damit zwei unterschiedliche Tatbestandsalternativen vor, bei deren Erfüllung das AÜG nicht anzuwenden ist, auch wenn begrifflich ein an sich als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizierender Drittpersonaleinsatz anzunehmen wäre. Einer trennscharfen Abgrenzung der beiden Alternativen bedarf es nicht; vielmehr können sich diese in ihrem Anwendungsbereich teilweise überschneiden. Gemeinsames Merkmal beider Regelungen ist die Geltung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (bei Nr. 2c auch der Regelungen der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften) für die von der Überlassung betroffenen Beschäftigungsverhältnisse und die hierdurch sichergestellte Vergleichbarkeit der einschlägigen tariflichen Arbeitsbedingungen. Im Übrigen haben beide Bereichsausnahmen jedoch unterschiedliche Voraussetzungen und dienen der Lösung teilweise unterschiedlicher Konstellationen. Die Vorschriften sind dabei nicht von vornherein auf bestimmte typologische Gestaltungsformen des drittbezogenen Personaleinsatzes im öffentlichen Dienst begrenzt.
Rz. 46
Ausweislich der Gesetzesbegründung findet das AÜG keine Anwendung auf spezialgesetzlich angeordnete Personalüberlassungen von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zu einer anderen juristischen Person. Dies betrifft neben bundesrechtlichen Regelungen insbesondere Personalgestellungsgesetze der Länder, die z.B. im Rahmen von Neuorganisationen zwischen der Landes- und der Kommunalebene häufig große Bedeutung haben. Bereits in der Vergangenheit ging die Rechtsprechung davon aus, dass das AÜG auf gesetzlich angeordnete Personalgestellungen nicht anwendbar ist. Hieran ist im Einklang mit der Gesetzesbegründung des AÜG-Änderungsgesetzes auch nach zwischenzeitlichem Wegfall des Ausschlusskriteriums der fehlenden Gewerbsmäßigkeit in § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG festzuhalten. Der Gesetzgeber kann daher außerhalb des AÜG auch dauerhafte Personalgestellungen auf der Grundlage eines dessen Bestimmungen vorgehenden Spezialgesetzes anordnen. Eines Rückgriffs auf die in § 1 Abs. 3 Nr. 2b und 2c AÜG vorgesehenen Bereichsausnahmen bedarf es insoweit nicht (auch wenn die Ausnahmebestimmungen inhaltlich in derartigen Fällen häufig ebenfalls einschlägig sein dürften).
Praxishinweis
Beispiele für derartige spezialgesetzliche Anordnungen finden sich etwa in § 5 Abs. 4 AsylG, § 26 Abs. 4 BAPostG sowie § 44g SGB II. Daneben existieren Vorschriften über eine gesetzlich angeordnete Personalgestellung vielfach auch auf landesgesetzlicher Ebene. Die Bundesländer sind zur gesetzlichen Regelung von Personalgestellungen für die Landes- und Kommunalbeschäftigten des öffentlichen Dienstes gesetzgebungsbefugt, da der Bundesgesetzgeber insoweit weder mit dem AÜG noch mit § 613 S. 2 BGB von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG abschließend Gebrauch gemacht hat. Dies wird durch die Gesetzesbegründung für die aktuelle Rechtslage noch einmal ausdrücklich bestätigt.
Rz. 47
Die Regelungen in § 1 Abs. 3 Nr. 2b und 2c AÜG betreffen auch nicht die "echte" Überleitung von Arbeitsverhältnissen bei gesetzlich angeordneten Personalübergängen im Zusammenhang mit Umstrukturierungen der öffentlichen Hand, bei denen ein Arbeitgeberwechsel vorgesehen ist. Entsprechendes gilt für § 613a BGB, der – wie auch die Gesetzesbegründung klarstellt – unberührt bleibt. Ob in der tariflichen Personalgestellung der Hauptbelegschaft bei personalintensiven, nicht-hoheitlichen (Verwaltungs-)Einheiten ein Betriebsübergangsindiz gesehen werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Im Übrigen sind Personalgestellungen bei Umstrukturierungsvorhaben der öffentlichen Hand, die mit einem Betriebsübergang verbunden sind, gerade auch als "Auffanglösung" von praktischer Bedeutung, falls Beschäftigte dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 BGB widersprechen.