Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 289
Das Einsatzverbot greift, wenn der Betrieb des Entleihers unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Dem gesetzlichen Verbot kann der Entleiher nur dadurch "entgehen" indem er sicherstellt, dass Leiharbeitnehmer keine Tätigkeit übernehmen, die bisher von streikenden Arbeitnehmern erledigt wurden oder die ihrerseits Tätigkeiten von streikenden Arbeitnehmern übernommen haben. Es ist kaum in Abrede zu stellen, dass diese Einschränkung des Einsatzverbots zwar letztlich die Beschränkung auf den "Streikbruch" regeln soll, indes faktisch das Einsatzverbot hierüber hinaus bewirkt. Denn die Bestimmung stellt auf Tätigkeiten schlechthin ab und bürdet dem Entleiher zusätzlich auf, dies sicherstellen zu müssen. In der Situation eines Arbeitskampfs wird dies praktisch kaum möglich sein.
a) Betrieb vom Arbeitskampf unmittelbar betroffen
Rz. 290
Das Einsatzverbot greift, wenn der Betrieb des Entleihers unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Wann eine solche unmittelbare Betroffenheit des Betriebs vorliegen soll, folgt aus § 11 Abs. 5 S. 1 AÜG selbst nicht, entsprechendes gilt für die Gesetzesbegründung. Maßgeblich sind daher die allgemeinen Maßstäbe.
aa) Streikaufruf und unmittelbare Betroffenheit
Rz. 291
Zunächst muss der in Rede stehende Entleiherbetrieb dem räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des umkämpften oder beabsichtigten Tarifvertrags unterfallen, damit der Entleiherbetrieb überhaupt unmittelbar betroffen sein kann. Bei einem Streik ist ein Arbeitgeber grundsätzlich unmittelbar betroffen, wenn sein Betrieb vom Streikaufruf erfasst wird. Ist ein Arbeitgeber dagegen kampfunbeteiligt, fehlt es regelmäßig an einer erforderlichen Betriebsbezogenheit des streikbedingten Eingriffs in dessen Gewerbebetrieb, mag sein Unternehmen auch durch den Streik (mittelbar) beeinträchtigt sein. Der von der Gewerkschaft ausgerufene Streik muss sich daher nach dem Streikaufruf zumindest auch gegen den Betrieb des Entleihers richten, um das Einsatzverbot auszulösen. Das Einsatzverbot greift demnach nicht ein, wenn beispielsweise Störungen entstehen, die auf einem Streik in einem anderen Betrieb beruhen und daher die Fortsetzung des nichtbestreikten Betriebs ganz oder teilweise unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar machen. So kann es häufig zu Störungen auch bei solchen Unternehmen kommen, die nicht unmittelbar vom Arbeitskampf betroffen sind, aber mit solchen kampfbetroffenen Unternehmen eng zusammenarbeiten (sog. mittelbare Arbeitskampffolgen). Auch der Zeitraum des Streiks folgt aus dem jeweiligen Streikbeschluss der Gewerkschaft. Wird der Entleiherbetrieb unbeschadet eines Streikbeschlusses tatsächlich nicht bestreikt, ist der Betrieb vom Arbeitskampf auch nicht unmittelbar im Sinne des § 11 Abs. 5 S. 1 AÜG betroffen. Dies ergibt sich für das Einsatzverbot schon daraus, dass in seiner solchen Konstellation ein Einsatz von Leiharbeitnehmern zum Streikbruch denklogisch ausscheidet. Eine Gewerkschaft kann also durch einen Streikbeschluss allein ein Einsatzverbot nicht auslösen.
bb) Andere Betriebsteile und anderer Betrieb
Rz. 292
Fraglich ist, ob die unmittelbare Betroffenheit nur eines Betriebsteils das Einsatzverbot auch für Leiharbeitnehmer in einem anderen Betriebsteil auslösen kann. Damit einher geht die Frage, ob bei einem Streik einer Spartengewerkschaft sämtliche Leiharbeitnehmer im Betrieb ihre Arbeit im Grundsatz niederlegen müssen, wenn nicht durch den Arbeitgeber nachgewiesen ein Fall des § 11 Abs. 5 S. 2 AÜG gegeben ist.
Der Wortlaut von § 11 Abs. 5 S. 1 AÜG spricht gegen eine generelle Begrenzung des Tätigkeitsverbotes auf die vom Streik betroffenen Bereiche eines Betriebes oder Betriebsteile. Die Formulierung "wenn sein Betrieb unmittelbar betroffen ist" verdeutlicht, dass eine begrenzte Anwendung des Einsatzverbotes auf den tatsächlich betroffenen Bereich des Unternehmens nicht der Intention des Gesetzgebers entspricht. So hieß es im Referentenentwurf noch "soweit sein Betrieb unmittelbar betroffen ist". Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in § 11 Abs. 5 S. 3 AÜG die Formulierung "soweit" verwendet und damit deutlich zeigt, dass er den Formulierungen unterschiedliche Bedeutung beimessen wollte.
Auch die Gesetzesbegründung, missbräuchliche Einwirkungen auf Arbeitskämpfe zu unterbinden, spricht für eine solche Auslegung des Begriffs der Betroffenheit. Die Beschränkung der Bestimmung auf die Verhinderung des Streikbruchs soll allein dadurch gewährleistet werden, dass das Einsatzverbot nach § 11 Abs. 5 S. 2 AÜG generell auf diej...