Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
a) Allgemeines
Rz. 206
Seit dem 1.4.2017 sieht das AÜG – insbesondere zum Ausschluss der Fallschirmlösung – eine Offenlegungs- und eine Konkretisierungspflicht vor. In § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG heißt es:
Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren.
Nicht akzeptabel sollen – so die Gesetzesbegründung – insbesondere Vertragskonstruktionen sein, die von den Parteien zwar als "Werk-" bzw. "Dienstvertrag" bezeichnet würden, tatsächlich jedoch als Arbeitnehmerüberlassungsverträge durchgeführt worden seien. Auf diese Weise könnten den Arbeitnehmern die ihnen zustehenden Rechte vorenthalten werden. Mit der Neuregelung in § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG sollen nach der Gesetzesbegründung missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes in Form der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung vermieden werden. In der Vergangenheit seien Fälle aufgetreten, bei denen Arbeitnehmer im Rahmen einer bloß formal als Werkvertrag bezeichneten Vereinbarung an einen Dritten überlassen worden seien. Gleichzeitig habe der vermeintliche Werkunternehmer eine Verleiherlaubnis vorrätig gehalten. Sei deutlich geworden, dass der vermeintliche Werkvertrag tatsächlich als Überlassungsvertrag zwischen den Parteien gelebt worden sei, weil der Dritte arbeitsrechtliche Weisungsrechte gegenüber den eingesetzten Arbeitnehmern ausgeübt habe, habe der vermeintliche Werkunternehmer die auf Vorrat gehaltene Verleiherlaubnis vorlegen können, um das Eingreifen der im AÜG vorgesehenen Rechtsfolgen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung zu verhindern. Der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber sollten zukünftig auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht bessergestellt sein, als derjenige, der ohne die erforderliche Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung betreibe. Eine Arbeitnehmerüberlassung solle deshalb nach der Neuregelung in § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG zwingend offengelegt erfolgen und die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung sanktioniert werden.
b) Offenlegungspflicht
Rz. 207
Seit dem 1.4.2017 ist gesetzlich geregelt, dass die Überlassung des Arbeitnehmers ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen ist. Dies ist nach § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG zunächst in dem Vertrag zwischen Entleiher und Verleiher vorzusehen.
Praxishinweis
Mit dieser Neuregelung schließt sich der Gesetzgeber der nach alter Rechtslage von einer Mindermeinung in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht an, dass es widersprüchlich sein soll, sich einerseits aufgrund des besonderen Schutzzweckes des AÜG und des Typenzwangs bei der Einordnung des Rechtsverhältnisses auf die tatsächliche Durchführung zu berufen, aber andererseits bei der Frage, ob eine nur vorsorglich eingeholte Arbeitnehmerüberlassung ausreichend ist, einen formalistischen Standpunkt einzunehmen. Dass die damit bezweckte Gleichsetzung der illegalen mit der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung nicht gerechtfertigt ist, hat Böhm sehr pointiert herausgestellt, indem er wörtlich formuliert:
Zitat
"Wer keine Erlaubnis hat, muss bei so genanntem drittbezogenem Personaleinsatz eine falsche Bezeichnung des Geschäfts wählen, um zu verschleiern, dass es illegal ist. Vor dieser Notwendigkeit steht ein Erlaubnisinhaber nicht. Fehlende oder falsche Bezeichnung können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 1c AÜG) oder in krassen Fällen zum Entzug der Erlaubnis führen. Den materiell-rechtlichen Charakter des Geschäfts beeinflussen sie nicht. Auch "verdeckte" Arbeitnehmerüberlassung ist Arbeitnehmerüberlassung."
Zudem hat sich der nicht offen Überlassende immerhin einer Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Erlaubnisbehörde unterzogen – im Gegensatz zu dem illegal überlassenden Dienstleister.
Rz. 208
§ 1 Abs. 1 S. 5 AÜG verlangt, dass die Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung in dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag erfolgt. Dies bedeutet auch, dass das gesetzliche Schriftformerfordernis nach § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG, §§ 126, 126a BGB zu beachten ist; ansonsten kann die Offenlegungspflicht nach § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG bereits aus formalen Gründen nicht gewahrt werden. Systematisch hätte der Gesetzgeber die Offenlegungspflicht daher nicht in § 1 AÜG, sondern in § 12 Abs. 1 AÜG verorten sollen. Erforderlich ist, dass der Vertrag wechselseitig von den Parteien unterzeichnet wird oder bei mehreren gleichlautenden Urkunden jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterschreibt oder die elektronische Form gewahrt wird.
Rz. 209
Zudem ist in dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass eine Arb...