Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 260
Die Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers ist jeweils schriftlich zu erklären. Es gilt damit das gesetzliche Schriftformerfordernis nach § 126 Abs. 1 BGB. Dafür ist bereits der Wortlaut von § 9 Abs. 1 Nr. 1, 1a, und 1b AÜG anzuführen. Verwendet der Gesetzgeber den Begriff "schriftlich" im Zusammenhang mit einer Willenserklärung, wie dies bei der Festhaltenserklärung der Fall ist, spricht dies für eine Unterwerfung unter die Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB. Zudem hätte der Gesetzgeber in Kenntnis der gesetzlichen Vorschrift zur "Textform" nach § 126b BGB den Wortlaut der § 9 Abs. 1 Nr. 1, 1a, und 1b AÜG entsprechend eindeutig formulieren können, wenn dieser nicht die Schrift-, sondern die Textform hätte zulassen wollen. Auch unter Berücksichtigung der Rechtssicherheit und der von der Schriftform ausgehenden Warnfunktion an den sich erklärenden Leiharbeitnehmer ist es geboten, "schriftlich" im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB eng auszulegen. Die Formwirksamkeit der Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers erfordert daher, dass diese im Original unterzeichnet wird. Eine E-Mail oder ein Fax bzw. eine mündliche Erklärung des Leiharbeitnehmers wahren die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform folglich nicht. Die elektronische Form gem. § 126b BGB kommt faktisch nicht in Betracht, da die Festhaltenserklärung bei der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt werden muss (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AÜG). Dies ist bei der elektronischen Form begriffsnotwendig aber ausgeschlossen. Auch eine konkludente Erklärung des Leiharbeitnehmers durch eine Weiterarbeit für den Verleiher, im Zweifel bei einem anderen Entleiher, kommt nicht in Betracht.
Die Erklärung kann dabei von dem Leiharbeitnehmer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher abgegeben werden. Der Leiharbeitnehmer kann insoweit frei wählen.
Praxishinweis
Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, in dem zwischen Verleiher und Entleiher zu schließenden Arbeitnehmerüberlassungsvertrag eine wechselseitige oder zumindest den Entleiher bindende Verpflichtung vorzusehen, den Verleiher bzw. den Entleiher unverzüglich darüber zu unterrichten, wenn und soweit ein Leiharbeitnehmer ihm gegenüber eine entsprechende Erklärung zu welchem Zeitpunkt abgegeben hat. Dies kann mit der Pflicht verbunden werden, eine Ablichtung der Festhaltenserklärung zu übermitteln. Den Empfänger der Festhaltenserklärung – wahlweise der Entleiher oder der Verleiher – trifft jedoch auch ohne ausdrückliche Vereinbarung gem. § 241 Abs. 2 BGB zumindest die vertragliche Nebenpflicht, dessen Vertragspartner über den Zugang selbiger zu unterrichten, da dieser von den Rechtsfolgen der von dem Leiharbeitnehmer abgegebenen Festhaltenserklärung gleichermaßen betroffen ist.
Rz. 261
Da es sich bei der Festhaltenserklärung um eine bedingungsfeindliche einseitige Willenserklärung handelt, bedarf es zu deren Wirksamkeit eines Zugangs an den richtigen Erklärungsempfänger (hier: Verleiher oder Entleiher). Ein Widerruf der Festhaltenserklärung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Allerdings ist diese nach den allgemeinen Grundsätzen anfechtbar, insbesondere aufgrund einer arglistigen Täuschung oder einer widerrechtlichen Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB). Die Anforderungen an diese sind allerdings sehr hoch, sodass die Voraussetzungen für eine Anfechtung nur ausnahmsweise in eindeutigen Fällen erfüllt sein dürften.
Beispiel
Der Verleiher droht dem Leiharbeitnehmer an, er werde die gleichfalls bei ihm beschäftigte Ehefrau fristlos kündigen, wenn dieser nicht die von dem Verleiher verlangte Festhaltenserklärung abgibt.
oder:
Der Verleiher spiegelt dem Leiharbeitnehmer vor, dass es sich bei der Abgabe der Festhaltenserklärung um eine bloße Formalität handelt, die eine Arbeitslosigkeit verhindert.
Abgesehen von den hohen rechtlichen Hürden an eine erfolgreiche Anfechtung dürften sich in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten ergeben, die entsprechenden Tatsachen, die eine solche de facto begründen könnten, auch zu beweisen; dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass derartige Situationen oftmals im Rahmen von 4-Augen-Gesprächen entstehen bzw. sich der Leiharbeitnehmer mit mehreren Vertretern des Arbeitgebers konfrontiert sieht, die an dem Gespräch teilgenommen haben. Darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit der anfechtende Leiharbeitnehmer. Dieser muss zudem die Anfechtungsfrist gem. § 124 Abs. 1 BGB einhalten. Diese beträgt ein Jahr und beginnt zu dem Zeitpunkt, in dem der anfechtungsberechtigte Leiharbeitnehmer die Täuschung entdeckt hat bzw. die durch die Drohung bedingte Zwangslage beendet worden ist. Auch für die Einhaltung der Frist, die in der Praxis mit einigen Rechtsunsicherheiten behaftet ist, trägt der Leiharbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast.
Rz. 262
In Zusammenhang mit der Festhaltenserklärung ist nach § 9 Abs. 2 AÜG ein besonderes Verfahren zu beachten, in das von dem Leiharbeitnehmer vor deren Abgabe die Agentur für Arbeit eingebunden werden muss. Wird dieses nicht beachtet...