Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 243
Flankiert wird die zwingende Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung zwischen Verleiher und Entleiher und die Konkretisierung der eingesetzten Leiharbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG durch eine Pflicht des Verleihers, den Leiharbeitnehmer darüber zu informieren, dass er an einen Dritten (Entleiher) überlassen wird. In § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG hieß es in der ab dem 1.4.2017 geltenden Fassung:
Der Verleiher hat den Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung darüber zu informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird.
Diese Regelung soll es Leiharbeitnehmern nach der Gesetzesbegründung erleichtern, deren Rechte nach dem AÜG geltend zu machen. Die entsprechende Unterrichtung konnte dabei formfrei, d.h. auch mündlich, erfolgen. Die gesetzliche Vorschrift sah keine Text- oder gar Schriftform vor.
Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der
Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts (sog. Arbeitsbedingungenrichtlinie) wurde § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG um eine weitere Pflicht des Entleihers angereichert und der Vorschrift ein zweiter Halbsatz hinzugefügt. § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG in der ab dem 1.8.2022 geltenden Fassung lautet nunmehr wie folgt (die Ergänzung ist nachfolgend kursiv markiert):
Der Verleiher hat den Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung darüber zu informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird, und ihm die Firma und Anschrift des Entleihers, dem er überlassen wird, in Textform mitzuteilen.
Fraglich ist, ob sich das nunmehr in § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG aufgenommene Textformerfordernis nur auf die neu eingefügte Mitteilungs- (Hs. 2) oder auch auf die bisher schon im Gesetz vorgesehene Informationspflicht des Verleihers (Hs. 1) bezieht. Die besseren Argumente sprechen dafür, dass lediglich die Mitteilungspflicht nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 2 AÜG der Textform unterworfen wird und die bisherige Informationspflicht nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 1 AÜG weiterhin formfrei vom Verleiher erfüllt werden kann. Dafür spricht bereits die Systematik der Vorschrift. Das Textformerfordernis ist in den neuen § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 2 AÜG eingefügt worden, ohne sich gleichzeitig auf die bereits bestehende Pflicht nach § 11 Abs. 2 S. 4 HS 1 AÜG zu beziehen; dies zeigt sich daran, dass die Ergänzung "in Textform" unmittelbar und ausschließlich vor "mitzuteilen" vorgenommen wurde. Der Gesetzgeber hätte – sollte es seine Absicht gewesen sein, die Textform auf beide Pflichten in § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG zu erstrecken, dies ausdrücklich und eindeutig in einem weiteren Satz formulieren können. Dies ist allerdings nicht erfolgt, obwohl dem Gesetzgeber bekannt gewesen ist, dass die Informationspflicht nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 1 AÜG formfrei erfüllt werden konnte.
Praxishinweis
Für die Praxis ist gleichwohl zu empfehlen, die Unterrichtung nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 1 AÜG schriftlich oder zumindest in Textform vorzunehmen und diese zu Dokumentationszwecken zu der Personalakte des Leiharbeitnehmers zu nehmen. Optimalerweise zeichnet dieser den Erhalt der Unterrichtung gegen. Sollte die gesetzlich vorgesehene Information nur (fern-)mündlich erfolgen, kann der Verleiher insbesondere im Rahmen einer Prüfung durch die Erlaubnisbehörde in eine Beweisnot kommen, darzulegen, dass dieser der Pflicht nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 1 AÜG tatsächlich nachgekommen ist. Es empfiehlt sich in diesem Fall, die telefonische Unterrichtung des Leiharbeitnehmers zumindest in einem Aktenvermerk zu dokumentieren. Dies gilt erst recht unter Beachtung der Tatsache, dass die neu in das Gesetz eingefügte Mitteilungspflicht nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 2 AÜG ausdrücklich der Textform unterworfen worden ist. Laut Gesetzesbegründung kann die Information nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 2 AÜG mit der bereits in § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 1 AÜG enthaltenen Pflicht verknüpft werden. Eine Verpflichtung des Verleihers dazu besteht freilich nicht, kann sich aber aus Praktikabilitätsgründen anbieten, indem beide Pflichten in einem Dokument "erledigt" werden.
Die Information des Leiharbeitnehmers nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 1 AÜG muss dabei vor dem Beginn des jeweiligen Einsatzes und damit vor der tatsächlichen Arbeitsaufnahme bei dem Entleiher, nicht hingegen schon bei Abschluss des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags erfolgen. Die gilt ebenfalls für die Pflicht nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 2 AÜG. Ein zeitlicher Vorlauf ist dabei nicht einzuhalten; ausreichend ist, wenn der Leiharbeitnehmer eine juristische Sekunde vor dem Einsatzbeginn unterrichtet bzw. informiert worden ist.
Dies kann gerade bei kurzfristig vorgenommenen Überlassungen mit gewissen praktischen Schwierigkeiten verbunden sein, wenn die bisherige Unterrichtung nach § 11 Abs. 2 S. 4 Hs. 1 AÜG bei dem Verleiher – auch nach alter Rechtslage – grundsätzlich schriftlich bzw. in Textform erfolgte. Sollte dies im Ausnahmefall nicht möglich sein, sollte die Information des Leiharbeitnehmers zumindest anderw...