Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 35
Durch § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG wurde der Kettenverleih ausdrücklich verboten:
Die Überlassung und das Tätigwerden von Arbeitnehmern als Leiharbeitnehmer ist nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht.
Mit § 10a AÜG will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die in §§ 9, 10 AÜG geregelten Sanktionen auch im Mehrpersonenverhältnis greifen.
Ein Arbeitsverhältnis zum (End-)Entleiher wird auch dann fingiert, wenn zwar der Verleiher über eine Erlaubnis verfügt, der Weiterverleiher aber entweder über keine AÜ-Erlaubnis verfügt, die Höchstüberlassungsdauer überschreitet oder gegen Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflichten verstößt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 1b AÜG). Damit ändert sich bei den unter Rdn 33 genannten Fallkonstellationen Fall b). Zudem kommen zu den Fällen der illegalen Arbeitnehmerüberlassungen die Verstöße gegen die Höchstüberlassungsdauer sowie gegen die Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflichten (verdeckte Arbeitnehmerüberlassung) jeweils durch Verleiher oder Weiterverleiher hinzu, so dass bei jeglichen Verstößen ein Arbeitsverhältnis zum (End-)Entleiher fingiert wird.
Der Ansicht, es handele sich um zwei hintereinandergeschaltete Arbeitnehmerüberlassungen, die jeweils selbstständig beurteilt werden müssen, hat der Gesetzgeber eine Absage erteilt. Die Fiktionswirkung der §§ 9, 10 AÜG führt immer zur Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum End-Entleiher und nicht wie in Fallkonstellation c) von zuvor teilweise vertretener Ansicht zum Arbeitsverhältnis zum Weiterverleiher. Eine Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers führt immer zum Festhalten des Arbeitsverhältnisses zum Erst-Verleiher.
Allerdings führt ein singulärer Verstoß gegen den Kettenverleih auch nach der Reform für sich genommen nicht zur Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum (End-)Entleiher. Für diesen Verstoß ist (nur) eine Ordnungswidrigkeit vorgesehen worden (Bußgeld für die beteiligten Arbeitgeber bis zur Höhe von 30.000 EUR, § 16 Abs. 1 Nr. 1b AÜG). Weiterhin möglich bleibt aber auch eine Ahndung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG (Widerruf, Versagung der Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit).
Der DGB forderte eine Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum (End-)Entleiher auch für den missbräuchlichen Kettenverleih ohne Erfüllung einer der Tatbestände des § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 1b AÜG. Diese Forderung ist abzulehnen. Regelmäßig wird im Fall des missbräuchlichen Kettenverleihs auch ein Verstoß gegen die Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflicht und damit eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorliegen. Es ist dem (End-)Entleiher nicht zumutbar, die Folgen des Kettenverleihs auch dann zu tragen, wenn die Arbeitnehmerüberlassung ansonsten legal erfolgt. Die Fälle der bewussten Gesetzesumgehung durch den (End-)Entleiher sind hingegen unter dem Gesichtspunkt des institutionellen Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB interessengerecht zu lösen.
Praxishinweis
Die Zwischenschaltung Dritter bei der Arbeitnehmerüberlassung (sog. Kettenverleih) ist seit der Reform 2017 ausdrücklich verboten. Ausreichend ist, dass entweder der Verleiher oder der Weiterverleiher über keine Überlassungserlaubnis verfügen, Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflichten nicht erfüllen oder die Höchstüberlassungsdauer überschreiten, damit die Gefahr der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum (End-)Entleiher besteht.
Der Kettenverleih selbst führt zwar zu keiner Fiktion, ist aber regelmäßig mit einem der oben genannten Verstößen verbunden. Zudem können bei Verstoß nur gegen das Verbot des Kettenverleihs Bußgelder bis zu 30.000 EUR sowie Ahndungen nach § 3 Nr. 1 AÜG drohen.