Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 382
Ob Leiharbeitnehmer bei den für die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Schwellenwerten bei dem Entleiher, insbesondere zur Anwendung des DrittelbG und des MitbestG, zu berücksichtigen sind, war – anders als im Rahmen der Betriebsverfassung, bei der bis zur Änderung der Rechtsprechung des BAG eine strenge Form der Zwei-Komponenten-Lehre galt – eine hoch umstrittene Frage, die höchstrichterlich nicht abschließend geklärt war.
Zuletzt hatten es sowohl das OLG Hamburg als auch das OLG Saarland abgelehnt, Leiharbeitnehmer in Zusammenhang mit der Unternehmensmitbestimmung mitzuzählen – "traditionell" stellte sich die Zivilgerichtsbarkeit "arbeitgeberfreundlicher" als die Arbeitsgerichtsbarkeit dar. Das MitbestG habe – so das OLG Hamburg – die Aufgabe, die mit der Unterordnung der Arbeitnehmer unter eine fremde Leitungs- und Organisationsgewalt in größeren Unternehmen verbundene Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an den unternehmerischen Entscheidungen zu mildern […] und die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale Komponente zu ergänzen. Auch konkretisiere das MitbestG die soziale Bindung des Anteilseigentums, denn zu dessen Nutzung bedürfe es der Mitwirkung der Arbeitnehmer. Die Ausübung der Verfügungsbefugnis durch den Eigentümer könne sich zugleich auf deren Daseinsgrundlage auswirken. Sie berühre damit die Grundrechtssphäre der Arbeitnehmer. Dass dieser Zweck – nämlich die Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums – angesichts der Tatsache, dass Leiharbeitnehmer in den verleihenden Betrieb zurückkehren könnten und eine betriebsbedingte Kündigung von Seiten des Verleiherbetriebs allein aufgrund des Wegfalls des Beschäftigungsbedürfnisses beim Kundenunternehmen ausgeschlossen sei, eine Berücksichtigung auch der Leiharbeitnehmer im Rahmen der unternehmerischen Mitbestimmung des Entleiherbetriebs, nämlich bei der Ermittlung der Schwellenwerte, erfordere, sei aufgrund der unterschiedlichen Betroffenheit nicht ersichtlich.
Das BAG hat im Gegensatz dazu – in konsequenter Fortführung der Aufgabe der strengen Form der Zwei-Komponenten-Lehre beim drittbezogenen Personaleinsatz im Rahmen der Betriebsverfassung – in Zusammenhang mit dem für das Wahlverfahren der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der entleihenden Gesellschaft maßgeblichen Schwellenwert nach § 9 MitbestG "arbeitnehmerfreundlich" erkannt, dass auf Stammarbeitsplätzen eingesetzte wahlberechtigte Leiharbeitnehmer insoweit mitzählen. Damit stellte das BAG klar, dass die Zwei-Komponenten-Lehre hinsichtlich der Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung ebenfalls nicht mehr in ihrer ursprünglich strengen "Reinform" anzuwenden ist. Der 7. Senat betonte dabei aber ausdrücklich, dass sich die Frage, ob Leiharbeitnehmer grundsätzlich bei den Schwellenwerten der unternehmerischen Mitbestimmung zu berücksichtigen seien, nicht allgemein, sondern nur bezogen auf den jeweiligen Schwellenwert beantworten lasse. Es komme – so das BAG – vorliegend nur darauf an, welche Funktion dem Arbeitnehmerbegriff bei § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG zukomme. Dies erfordere keine Entscheidung darüber, ob Leiharbeitnehmer bei dem Schwellenwert des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, von dem abhänge, ob die Arbeitnehmer in den dort genannten Gesellschaftsformen ein Mitbestimmungsrecht nach dem MitbestG hätten, oder bei der Größe des Aufsichtsrats nach § 7 MitbestG mitgezählt werden müssten.
Letztlich hat der 7. Senat damit die zu den betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen entwickelte Rechtsprechung auf die für die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Schwellenwerte übertragen, indem dieser keine generalisierende Aussage zu der Berücksichtigungsfähigkeit von Leiharbeitnehmern getroffen, aber – nach Maßgabe von Sinn und Zweck der jeweils maßgeblichen Vorschrift – anerkannt hat, dass diese grundsätzlich mitzählen können.