Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 392
Neben einer Normierung der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten des BetrVG und des EBRG sowie der Wahlordnungen bei dem Entleiher (§ 14 Abs. 2 S. 4 AÜG) wird vom Gesetzgeber zusätzlich eine Bestimmung getroffen, nach der Leiharbeitnehmer ab dem 1.4.2017 ergänzend bei der Unternehmensmitbestimmung mitzuzählen sein sollen. Dies überrascht, erstreckt sich die im Koalitionsvertrag vom 16.12.2013 fixierte Regelungsabsicht doch ausschließlich auf die Betriebsverfassung. Auch insoweit ist der Großen Koalition eine über die Festlegung im Koalitionsvertrag hinaus gehende und folglich überschüssige Tendenz zu attestieren. Rechtspolitisch mag dies kritikwürdig und –fähig sein, die Praxis wird aber – wohl oder übel – damit leben müssen.
§ 14 Abs. 2 S. 5, 6 AÜG lautet dabei wie folgt:
Soweit Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes, des Montan-Mitbestimmungsgesetzes, des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes, des Drittelbeteiligungsgesetzes, des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, des SE- und des SCE-Beteiligungsgesetzes oder der aufgrund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherunternehmen zu berücksichtigen. Soweit die Anwendung der in Satz 5 genannten Gesetze eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern erfordert, sind Leiharbeitnehmer im Entleiherunternehmen nur zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.
Rz. 393
Die Aufzählung in § 14 Abs. 2 S. 5 AÜG erfasst die für die unternehmerische Mitbestimmung maßgeblichen Gesetze. Sie ist grundsätzlich als abschließend zu verstehen. Jedoch dürften zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch die Schwellenwerte zur Ausnahme von der Beibehaltung der unternehmerischen Mitbestimmung gem. § 2 Abs. 2 MitbestBeiG und § 325 Abs. 1 S. 2 UmwG unter Einschluss der Leiharbeitnehmer zu bestimmen sein, nämlich um bewerten zu können, ob die Zahl der Arbeitnehmer auf weniger als ein Viertel der mitbestimmungsrechtlich verlangten Mindestzahl sinkt.
Durch § 14 Abs. 2 S. 5 wird laut Gesetzesbegründung klargestellt, dass Leiharbeitnehmer in der Unternehmensmitbestimmung zukünftig bei dem Entleiher mitzählen. Deren Einbeziehung baue auf dem langjährigen Grundsatz der Parallelität zum Betriebsverfassungsrecht auf und trage der Rechtsprechung des BAG Rechnung. Eine Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer im Bereich der Unternehmensmitbestimmung entspreche der am Normzweck orientierten Betrachtung des BAG im Bereich des Betriebsverfassungsrechts. Diese Rechtsprechung zum BetrVG habe das BAG mit der Entscheidung vom 4.11.2015 für die Unternehmensmitbestimmung bestätigt. Es habe unter Fortführung seiner neueren Judikatur entschieden, dass auch für den Bereich der Unternehmensmitbestimmung die normzweckorientierte Auslegung gelte und jedenfalls wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen für den gesetzlichen Schwellenwert zur Art der Wahl mitzuzählen seien. Diese auf der Rechtsprechung des BAG fußende Rechtslage werde für die Unternehmensmitbestimmung gesetzlich klargestellt. Durch diese sollten die Arbeitnehmerinteressen bei der Unternehmensführung gewahrt werden. Die Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten entspreche dem Zweck der jeweiligen Regelungen. Leiharbeitnehmer seien heute für Unternehmen z.T. ähnlich bedeutend wie die Stammbeschäftigten. Die Beschlüsse des Aufsichtsrats, wie z.B. zu Standortverlagerungen oder Produktionsumstellungen, seien regelmäßig für Leiharbeitnehmer genauso relevant wie für die Stammbelegschaft. Deshalb seien sie – ebenso wie Stammarbeitnehmer – in der Unternehmensmitbestimmung zu berücksichtigen. Soweit Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung mit europäischem Ursprung Schwellenwerte enthielten, z.B. bei der Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums einer Europäischen Gesellschaft (SE), seien Leiharbeitnehmer gleichfalls mitzuzählen. Auch insoweit sei eine Parallelität zu den Regelungen des EBRG herzustellen.
Wie bei den Schwellenwerten zum BetrVG und zum EBRG (§ 14 Abs. 2 S. 4 AÜG) verweist der Gesetzgeber – insoweit noch zu Recht – zunächst darauf, dass das BAG die strenge Anwendung der Zwei-Komponenten-Lehre erst für die Betriebsverfassung und im Anschluss – in der in der Gesetzesbegründung ebenfalls genannten Entscheidung des BAG vom 4.11.2015 – für die Unternehmensmitbestimmung aufgegeben hat. Sodann rekurriert der Gesetzgeber auf eine nach der Rechtsprechung jeweils durchzuführende normorientierte Auslegung, um im Bereich der unternehmerischen Mitbestimmung festzustellen, ob im Einzelfall eine Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den bei dem Entleiher geltenden Schwellenwerten geboten ist. Eine solche findet sich in der gesetzlichen Regelung aber dann nicht wieder. Wie auch in § 14 Abs. 2 S. 4 AÜG werden sämtliche Schwellenwerte der Un...