Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 30
Das BAG hat mit Beschluss v. 21.2.2017 die Gestellung von Mitgliedern der DRK-Schwesternschaft an eine private Klinik als Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG qualifiziert. Das Urteil ist Folge der vorhergehenden Entscheidung des EuGH, den Leiharbeitnehmerbegriff der RL 2008/104/EG autonom auszulegen. Die autonome und damit erweiterte Auslegung wird zurecht im Schrifttum kritisiert, da die Richtlinie hinsichtlich ihres Arbeitnehmerbegriffes in Art. 3 Abs. 1 lit. a auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff verweist. Somit können auch Vertragsverhältnisse zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer, die nach nationalem Recht nicht als Arbeitsvertrag im Sinne von § 611a BGB eingeordnet werden, als Arbeitnehmerüberlassung qualifiziert werden, soweit der Leiharbeitnehmer für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. DRK- Schwestern sind aufgrund der Weisungsbindung gegenüber dem Verleiher daher Leiharbeitnehmer, auch wenn sie keine Arbeitnehmer nach nationalem Recht sind.
Rz. 31
Die Rechtsprechung sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass das Vertragsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nun ohne Relevanz wäre. Vielmehr ist im Einzelfall festzustellen, ob dem Verhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer eine Weisungsbindung im Sinne der unionsrechtlichen Rechtsprechung zugrunde liegt. Die Überlassung von Selbstständigen unterfällt dagegen auch weiterhin nicht dem AÜG. Allerdings führt die autonome Auslegung im Fall von Gesellschaftern bzw. Geschäftsführern dazu, dass hier zu differenzieren ist.
Während Alleingesellschafter und Mehrheitsgesellschafter auch nach autonomer Auslegung keiner derartigen Weisungsbindung unterliegen, kann im Fall der Überlassung von Minderheitsgesellschaftern ohne Sperrminorität und Fremdgeschäftsführern die autonome Auslegung zur Qualifizierung als Arbeitnehmerüberlassung führen. Allerdings findet das AÜG auch bei diesen keine Anwendung, wenn es sich um eine konzerninterne Überlassung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG handelt.
Für die Gestellung von Mitgliedern der DRK-Schwesternschaft wurden die Folgeprobleme durch die spezialgesetzliche Regelung in § 2 Abs. 4 DRK-Gesetz zum 25.7.2017 entschärft, nach welcher die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten auf die Gestellung von Rotkreuzschwestern keine Anwendung findet (Art. 9a des Rentenüberleitungs-Abschlussgesetzes vom 17.7.2017, BGBl I S. 2575). Ob diese Ausnahmeregelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, bleibt abzuwarten.