Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
I. Einleitung
Rz. 1
Das folgende Kapitel soll einen kurzen Überblick über die im Zuge der letzten Reform des AÜG, die am 1.4.2017 in Kraft trat, erfolgten Neuregelungen bieten. Für eine ausführliche Darstellung und die praktischen Folgen sei auf die nachfolgenden Kapitel verwiesen. Ob die mit der Neuregelung des AÜG verfolgten gesetzgeberischen Ziele – insbesondere die Verhinderung des missbräuchlichen Einsatzes der Leiharbeit bei gleichzeitiger Bewahrung von Flexibilität und mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen – erreicht worden sind, sollte eine in § 20 AÜG vorgesehene Evaluation im Jahr 2020 zeigen. Nach derzeitigen Planungen der Bundesregierung und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales soll die Evaluierung jedoch erst im Jahr 2022 in einem Forschungsbericht veröffentlicht werden. Zusätzlich wird in diesem Kapitel auf aktuelle regulatorische Entwicklungen der Leiharbeit in der Fleischwirtschaft im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie eingegangen.
II. Wesentliche Änderungen durch die erfolgte Reform
1. Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung
Rz. 2
Bereits nach bisheriger Rechtslage war der Begriff des Leiharbeitnehmers in § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG a.F. legaldefiniert, wenn auch ohne klarstellenden Hinweis auf den Begriff der Arbeitnehmerüberlassung. Durch eine Änderung in § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG wurde die Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung deutlicher gefasst. Die Vorschrift lautet seitdem:
Zitat
Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis.
Rz. 3
Die Ergänzung der Vorschrift hat ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich einen Klarstellungszweck. Der Gesetzgeber wollte nicht den bisherigen Anwendungsbereich des AÜG oder die Reichweite der Erlaubnispflicht verändern, sondern die zu dieser Thematik gefestigte Rechtsprechung lediglich gesetzlich abbilden. Dies soll im Rechtsverkehr die Abgrenzung zwischen Leiharbeitnehmern, die im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt werden, und Erfüllungsgehilfen, die auf der Grundlage eines Werk- bzw. Dienstvertrages arbeiten, erleichtern. Ergänzend wurde § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG neu gefasst, der seit der Reform wie folgt lautet:
Zitat
Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen.
Rz. 4
Bereits vor der Gesetzesreform gingen Rechtsprechung und die überwiegende Meinung im Schrifttum im Falle eines Fremdpersonaleinsatzes von einer Arbeitnehmerüberlassung aus, wenn Leiharbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert wurden und dessen Ausübung des Direktionsrechts unterliegen. Wie § 12 Abs. 1 S. 2 AÜG klarstellt, kommt es dabei im Zweifel auf die tatsächliche Vertragsdurchführung und nicht auf den Vertragsinhalt an. Insofern wurde durch die Neuregelung lediglich geltendes Recht kodifiziert, ohne eine inhaltliche Neuausrichtung vorzunehmen. Für Weiteres siehe Rdn 27 ff.
Praxishinweis
Das bedeutet auch, dass sich für die Praxis an den mitunter schwierigen und knappen Abgrenzungsfragen zwischen (verdeckter) Arbeitnehmerüberlassung und Fremdpersonaleinsatz, etwa im Rahmen von Werkverträgen, nichts geändert hat.
2. Veränderungen beim Anwendungsbereich des AÜG
a) Bereichsausnahmen für den öffentlichen Dienst
Rz. 5
Eine zentrale, wenngleich in der öffentlichen Diskussion um die Regulierung der Leiharbeit wenig beachtete Regelung im AÜG betrifft Fremdpersonaleinsätze innerhalb des öffentlichen Dienstes sowie der Kirchen. Nach früherer Rechtslage war äußerst umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Drittpersonaleinsätze im öffentlichen Dienst (vor allem die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD / TV-L) als Arbeitnehmerüberlassung einzustufen sind. Hierauf hat der Gesetzgeber bei der letzten AÜG-Reform reagiert, indem er in § 1 Abs. 3 Nr. 2b und 2c AÜG großzügige Bereichsausnahmeregelungen für den öffentlichen Dienst vorgesehen hat. Danach ist vor allem für tarifliche Personalgestellungen, wie sie die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst vorsehen, der Anwendungsbereich des AÜG nicht eröffnet. Zudem findet sich in den Vorschriften eine Ausnahmeregelung für öffentliche tarifgebundene Arbeitgeber, die an das für private Arbeitgeber geltende Konzernprivileg (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG) angelehnt ist. Näheres hier...