Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 308
Die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechts haben sich gegenüber der Vorläuferregelung nicht geändert. Inhaltlich erstreckt sich das Leistungsverweigerungsrecht auf den bestreikten Entleiher insgesamt, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist.
aa) Entleiher vom Arbeitskampf unmittelbar betroffen
Rz. 309
Ähnlich wie bei dem Einsatzverbot muss, damit das Leistungsverweigerungsrecht besteht, der Entleiher durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen sein. Der Gesetzgeber knüpft, anders als beim Einsatzverbot, nicht an den Betrieb, sondern an den Entleiher an. Der Begriff des Entleihers ist nicht betriebsbezogen, als Entleiher kommt vielmehr jeder in Betracht, der selbst Arbeitgeber sein könnte. Der Gesetzgeber stellt jedoch klar, dass das Leistungsverweigerungsrecht nur greift, soweit der Entleiher unmittelbar betroffen ist. Durch diese Formulierung liegt bereits eine Eingrenzung des Leistungsverweigerungsrechts auf tatsächlich vom Streik betroffene Bereiche vor. Das Leistungsverweigerungsrecht erstreckt sich daher nur auf Arbeiten, die in unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffenen Betrieben oder Betriebsteilen des Entleihers verrichtet werden sollen.
Rz. 310
Nach der Gesetzesbegründung gilt das Leistungsverweigerungsrecht für eingesetzte Leiharbeitnehmer, denen persönlich keine Streikbrechertätigkeiten zugewiesen werden. Das Leistungsverweigerungsrecht steht somit nicht neben dem Einsatzverbot, sondern greift in Fällen, in denen ein Einsatzverbot nicht besteht. Damit wird denjenigen Leiharbeitnehmern, die nicht vom Einsatzverbot betroffen sind, die Möglichkeit eingeräumt, sich faktisch am Streik zu beteiligen; es wird ein eigenes "Streikrecht" der Leiharbeitnehmer begründet, welches unabhängig davon besteht, ob ihre Tätigkeit mit streikbedingten Ausfällen in Berührung kommt oder nicht.
bb) Leistungsverweigerungsrecht nur bei rechtmäßigem Streik
Rz. 311
Im Rahmen des § 11 Abs. 5 AÜG a.F., war umstritten, ob das Leistungsverweigerungsrecht einen rechtmäßigen Arbeitskampf voraussetzt oder ob es auch im Falle eines rechtswidrigen Arbeitskampfes besteht. Nachdem die Instanzrechtsprechung auch einen rechtswidrigen Streik hat ausreichen lassen, läge es nahe, dieser Ansicht angesichts des unveränderten Wortlauts der Bestimmung auch für die Neuregelung zu folgen. Zu beachten ist jedoch, dass die Situation im Rahmen des bisherigen § 11 Abs. 5 AÜG eine andere war. Sinn und Zweck des "ursprünglichen" Leistungsverweigerungsrechts war es, dass der Leiharbeitnehmer nicht gegen seinen Willen als Streikbrecher eingesetzt werden konnte. Zum Schutze des Leiharbeitnehmers sollte das Leistungsverweigerungsrecht auch bei einem rechtswidrigen Streik bestehen. Das "neue" Leistungsverweigerungsrecht hingegen greift nur dann, wenn der Leiharbeitnehmer keine vom Arbeitskampf betroffenen Tätigkeiten übernimmt. Da Stammarbeitnehmer im Falle eines rechtswidrigen Streiks ebenfalls verpflichtet sind, ihrer Arbeitspflicht nachzukommen, kann für den Leiharbeitnehmer nach Sinn und Zweck der Neuregelung nichts anderes gelten. Anderenfalls würde die Rechtsordnung durch das Leistungsverweigerungsrecht ohne Rechtfertigung rechtswidrige Streikmaßnahmen sogar noch fördern.
cc) Zeitpunkt und Art der Geltendmachung
Rz. 312
Der Leiharbeitnehmer hat ein Leistungsverweigerungsrecht, weshalb die Leistungspflicht nicht automatisch erlischt. Der Leiharbeitnehmer muss dieses Recht vielmehr – in Abgrenzung zu einem irrtümlich angenommenen Einsatzverbot deutlich erkennbar – geltend machen. Tut er dies nicht, bleibt er zur Arbeitsleistung dem bestreikten Entleiherbetrieb verpflichtet. Das Leistungsverweigerungsrecht erlischt nicht, wenn es nicht sofort bei Ausbruch des Arbeitskampfes ausgeübt wird. Der Leiharbeitnehmer kann die Arbeitsleistung also auch noch verweigern, wenn er zunächst trotz des Arbeitskampfes beim Entleiher tätig geworden ist.
Rz. 313
Umstritten war bereits nach der alten Regelung, wem gegenüber das Leistungsverweigerungsrecht geltend zu machen ist. Eine Klarstellung des Gesetzgebers ist nicht erfolgt. Vorzugswürdig dürfte sein, maßgeblich darauf abzustellen, dass nur zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht und das Leistungsverweigerungsrecht demgemäß dem Verleiher gegenüber geltend zu machen ist. Dafür spricht auch, dass den Verleiher die Hinweispflicht bezüglich des Leistungsverweigerungsrechts trifft.