Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 95
Um eine Umgehung der Überlassungshöchstdauer durch eine bloß kurzfristige Unterbrechung der Überlassung zu vermeiden, ist ein erneuter Einsatz nach Erreichen der Überlassungshöchstdauer erst nach Ablauf einer dreimonatigen Karenzfrist möglich. Nach § 1 Abs. 1b S. 2 AÜG wird der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher vollständig angerechnet, wenn zwischen den Einsätzen nicht mehr als drei Monate liegen. Unterbrechungszeiten von mehr als drei Monaten (eine dreimonatige Unterbrechung genügt also nicht) führen dazu, dass die für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer maßgeblichen Einsatzzeiten beim Einsatz in demselben Betrieb neu zu laufen beginnen. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber an die seinerzeit bestehenden tarifvertraglichen Regelungen auf Verleiher- und Entleiherebene angeknüpft. So sahen z.B. § 4 TV LeiZ oder § 2 Abs. 2 TV BZ ME in der seinerzeitigen Fassung eine vergleichbare Regelung vor, wobei insoweit allerdings eine dreimonatige Unterbrechung genügte, um eine Anrechnung vorheriger Überlassungszeiten zu vermeiden.
Rz. 96
Beispiel
Der Leiharbeitnehmer wird für die Dauer von 18 Monaten bis zum 31. März im Betrieb des Unternehmens U eingesetzt. In den Monaten April bis Juni wird er im Betrieb eines anderen Unternehmens eingesetzt und wird ab dem 15. Juli erneut für die Dauer von sechs Monaten an den Betrieb des Unternehmens U überlassen. Ein Verstoß gegen die gesetzliche Überlassungshöchstdauer liegt nicht vor. Da die Unterbrechung mehr als drei Monate beträgt, beginnt die Überlassungshöchstdauer von Neuem zu laufen.
Rz. 97
Da die Überlassungshöchstdauer arbeitnehmerbezogen ausgestaltet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Leiharbeitnehmer dieselbe Tätigkeit wie im Rahmen seiner ersten Überlassung ausübt. Dies hat zur Folge, dass auch im Falle eines Tätigkeitswechsels die Einsatzzeiten des Leiharbeitnehmers zu addieren sind, wenn zwischen den Einsätzen nicht mehr als drei Monate liegen. Die Überlassungshöchstdauer lässt sich daher nicht dadurch umgehen, dass zwei auf verschiedenen Arbeitsplätzen im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer getauscht werden. Ebenso unerheblich ist, ob der Leiharbeitnehmer bei einem Folgeeinsatz von demselben Verleiher überlassen wird. Es kommt nach dem Gesetzeswortlaut ausschließlich auf den Einsatz bei demselben Entleiher an ("durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher"). Die Überlassungshöchstdauer kann somit nicht durch einen Arbeitgeberwechsel des Leiharbeitnehmers umgangen werden.
Rz. 98
Praxishinweis
Da auch Überlassungen von einem früheren Arbeitgeber auf die Überlassungshöchstdauer anzurechnen sein können, sollte der Verleiher den Leiharbeitnehmer mit Abschluss des Leiharbeitsvertrags verpflichten, ihm vorherige Überlassungen von anderen Arbeitgebern an denselben Entleiher mitzuteilen. Der Verleiher kann darüber hinaus über den Entleiher in Erfahrung bringen, ob vorherige Überlassungen über einen anderen Verleiher erfolgt sind und auf eine entsprechende Regelung im Überlassungsvertrag hinwirken.
Rz. 99
Bei Unterbrechungszeiten von drei Monaten oder weniger werden demgegenüber die Einsatzzeiten bei demselben Entleiher addiert. Allerdings kommt es auch insoweit auf den tatsächlichen Einsatz an und nicht die bloße Einsatzmöglichkeit, d.h. der Leiharbeitnehmer muss tatsächlich für den Entleiher tätig werden (hierzu bereits oben Rdn 91). Danach ist es für die Überlassungshöchstdauer nicht relevant, wenn zwar zwischen dem Verleiher und dem Entleiher ein Überlassungsvertrag besteht, der Leiharbeitnehmer jedoch nicht beim Entleiher eingesetzt wird. Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, einer Substitution von Stammbeschäftigten entgegenzuwirken, wird durch das bloße Bestehen eines Überlassungsvertrags nicht tangiert. Der Substitutionsgedanke kommt erst bei einem tatsächlichen Einsatz des Leiharbeitnehmers zum Tragen.
Rz. 100
Beispiel
Der Verleiher V und das Unternehmen U schließen einen Überlassungsvertrag über den Einsatz des Leiharbeitnehmers L für Mai bis November. Da in den ersten zwei Monaten kein Beschäftigungsbedarf besteht, wird L nicht bei U tätig und V und U beenden den Überlassungsvertrag mit Wirkung zum Ende Juni einvernehmlich. Mit Wirkung ab September wird L auf der Grundlage eines neuen Überlassungsvertrags tatsächlich für U tätig. Die einsatzlosen Überlassungszeiten im Mai und Juni werden nicht auf die spätere Überlassung angerechnet.
Rz. 101
Ferner fragt sich, wie die Gesamtüberlassungszeit zu ermitteln ist, wenn die jeweiligen Einsätze keine vollen Monate ergeben. Zum Teil wird insoweit vertreten, dass auch angebrochene Monate für Zwecke der Anrechnung auf die Überlassungshöchstdauer voll zählen. Demgegenüber spricht in derartigen Konstellationen viel dafür, für die Berechnung von Teilmonaten in Anlehnung an § 191 BGB den Monat mit 30 Tagen anzusetzen. Dies entspricht auch der Ansicht der Bundesagentur für Arbeit. Eine solche differ...