Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 122
Die Übernahme einer tariflichen Regelung durch Betriebsvereinbarung setzt voraus, dass der Betrieb des Entleihers vom räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst wird, aus dem die von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer abweichenden Regelungen übernommen werden sollen. Damit scheidet die Übernahme einer tarifvertraglichen Regelung aus einem anderen Bezirk aus. Erkennt man eine Nachwirkung des Tarifvertrags an (hierzu oben Rdn 115 ff.), stellt sich die Frage, ob auch eine Übernahme nachwirkender Tarifverträge möglich ist. § 1 Abs. 1b S. 4 AÜG lässt die Übernahme eines Tarifvertrags nur "im Geltungsbereich eines Tarifvertrags" zu. Hierzu soll nach den Gesetzesmaterialien auch der zeitliche Geltungsbereich gehören. Insoweit dürfte zu differenzieren sein: Gegen die Übernahme eines bereits im Nachwirkungsstadium befindlichen Tarifvertrags spricht, dass auch der Tarifvertrag bei einem Beitritt in den Arbeitgeberverband während des Nachwirkungsstadiums keine Anwendung fände (hierzu oben Rdn 115). Die Nachzeichnungsmöglichkeit kann jedoch nicht über die Möglichkeit einer Abweichung kraft Tarifbindung hinausgehen. Wenn demgegenüber der Tarifvertrag bereits während seiner normativen Geltung übernommen wurde, ist nicht ersichtlich, warum die Regelungen der Betriebsvereinbarung mit dem Eintritt der Nachwirkung des Tarifvertrags außer Kraft treten sollten. Hierin läge eine Benachteiligung nicht tarifgebundener Entleiher, die mit dem Grundsatz der negativen Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) nicht vereinbar wäre. Vielmehr dürfte insoweit von einem Gleichlauf auszugehen sein, sodass die Übernahme des Tarifvertrags wirksam bleibt, bis die Nachwirkung endet (vgl. auch unten Rdn 134).
Rz. 123
Fällt der Betrieb des Entleihers unter den Geltungsbereich mehrerer einschlägiger Tarifverträge ist gemäß § 1 Abs. 1b S. 7 AÜG auf den für seine Branche repräsentativen Tarifvertrag abzustellen (Branchenrepräsentativität). Nach den Gesetzesmaterialien soll bei der Feststellung der Repräsentativität vorrangig auf die Zahl der tarifgebundenen Unternehmen und die Zahl der tarifgebundenen Arbeitnehmer abgestellt werden. In den allermeisten Fällen dürfte sich der danach einschlägige Tarifvertrag in der Praxis ohne Probleme ermitteln lassen. Letztlich läuft die Regelung auf eine Anwendung des jeweils räumlich, betrieblich und fachlich einschlägigen Verbandstarifvertrags der DGB-Gewerkschaften hinaus. In Einzelfällen kann es allerdings zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, wenn sich zum Beispiel der Betrieb des Entleihers nicht eindeutig einer "Branche" zuordnen lässt. Ein Verfahren für die Feststellung der Repräsentativität sieht das Gesetz – anders als in § 99 ArbGG – aber nicht vor.