Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 124
Die tarifvertraglichen Regelungen können grundsätzlich nur so übernommen werden, wie sie im Tarifvertrag vereinbart sind. § 1 Abs. 1b S. 3 AÜG verlangt eine inhaltsgleiche Übernahme. Die Betriebsparteien müssen allerdings nicht zwingend den gesamten Tarifvertrag übernehmen, sondern können sich nach dem Gesetzeswortlaut auf die von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer abweichende Regelungen beschränken. Sind in dem Tarifvertrag auch noch andere Regelungen enthalten, die in keinem Zusammenhang mit der Überlassungshöchstdauer stehen (z.B. zur Arbeitszeit oder zum Urlaub), müssen diese nicht übernommen werden. Etwas anderes gilt jedoch für Regelungen, die mit der Abweichung von der Überlassungshöchstdauer in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, z.B. wenn die Regelungen zur Überlassungshöchstdauer mit Regelungen zur Übernahme von Leiharbeitnehmern verknüpft sind. In einem solchen Fall muss sich die Übernahme auf den gesamten Regelungskomplex erstrecken. Ob ein untrennbarer Zusammenhang besteht, ist durch eine Auslegung des jeweils einschlägigen Tarifvertrags zu bestimmen. Die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass die Regelungen zum Einsatz von Leiharbeitnehmern im Einsatzbetrieb im Zweifel eine nicht teilbare Einheit darstellen, die nur im Ganzen ohne Änderungen übernommen werden kann.
Rz. 125
§ 1 Abs. 1b S. 4 AÜG sieht eine Nachzeichnung des einschlägigen Tarifvertrags durch Betriebsvereinbarung vor. Eine (formlose) Regelungs- oder Betriebsabsprache genügt somit nicht. Aus der Betriebsvereinbarung sollten die zugelassenen Abweichungen von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer eindeutig ersichtlich sein. Dies kann durch eine wörtliche Übernahme der tariflichen Regelungen oder eine konkrete Bezugnahme erfolgen (vgl. zu dynamischen Bezugnahmeklauseln unten Rdn 129). Ob eine Betriebsvereinbarung über die Einigungsstelle erzwungen werden kann, ist zweifelhaft. Bei § 7 Abs. 3 S. 1 ArbZG, der ebenfalls eine Übernahmemöglichkeit durch Betriebsvereinbarung vorsieht, geht die herrschende Meinung davon aus, dass eine Übernahme nur freiwillig erfolgen und nicht durch die Einigungsstelle erzwungen werden kann. In der Folge würde eine Betriebsvereinbarung auch nicht nachwirken. Den Betriebsparteien steht es jedoch frei, ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren (§ 76 Abs. 6 BetrVG) oder eine Nachwirkung zu regeln.
Rz. 126
Eine Nachzeichnung des einschlägigen Tarifvertrags ist für nicht tarifgebundene Entleiher ausschließlich durch Betriebsvereinbarung möglich. Anders etwa als nach § 7 Abs. 3 S. 1 ArbZG fehlt eine Auffanglösung für betriebsratslose Betriebe. Für nicht tarifgebundene Entleiher ohne Betriebsrat besteht somit keine Abweichungsmöglichkeit. Dies kann insbesondere bei projektbezogenen Einsätzen, die nicht selten einen längeren Einsatz als 18 Monate erfordern, zu Problemen führen.