Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
1. Legaldefinition
Rz. 28
Neben der Kodifizierung des Begriffs des Arbeitnehmers in § 611a BGB wurde in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG der Begriff des Leiharbeitnehmers festgeschrieben:
Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen.
Nach der Gesetzesbegründung sollte mit der neuen Legaldefinition des Leiharbeitnehmers lediglich die bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen dem Einsatz eines Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer und dem Einsatz als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Werk- bzw. Dienstvertrages kodifiziert werden. Bedauerlicherweise wurden die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze aber auch im Rahmen des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht exakt übernommen.
Nach der bisherigen BAG-Rechtsprechung liegt Arbeitnehmerüberlassung nämlich vor,
Zitat
"wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb (voll) eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen."
Entgegen teilweiser im Rahmen der Reform geäußerter Auffassung führte die Nichtaufnahme der Begriffe "voll" und "allein" aber zu keiner Verschiebung der Grenzziehung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und anderweitigem Drittpersonaleinsatz (hierzu bereits ausführlich unter § 3 Rdn 20). Unabhängig von dem klar verfehlten Ziel der Schaffung von mehr Rechtssicherheit für die Praxis, bleiben damit die Rechtsprechungsgrundsätze anwendbar.
2. Gleichbleibende Beweislast
Rz. 29
Der neuen Legaldefinition sowie § 611a BGB wurden – entgegen anderer Vorschläge – keine Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast zugefügt. Weiterhin muss der Arbeitnehmer Tatsachen vortragen, die eine Würdigung rechtfertigen, wonach der Arbeitnehmer einem Entleiher zur Arbeitsleistung überlassen ist. Es ist dann Aufgabe des "Entleihers", die Tatsachen darzulegen, die dagegensprechen. Er genügt seiner Darlegungslast, wenn er die eine werkvertragliche Vereinbarung begründenden Tatsachen vorträgt. In diesem Fall ist es nunmehr Sache des Arbeitnehmers, die Kenntnis der auf Seiten der beteiligten Arbeitgeber handelnden und zum Vertragsabschluss berechtigten Personen von der tatsächlichen Vertragsdurchführung vorzutragen.
3. Unionsrechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AÜG
Rz. 30
Das BAG hat mit Beschluss v. 21.2.2017 die Gestellung von Mitgliedern der DRK-Schwesternschaft an eine private Klinik als Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG qualifiziert. Das Urteil ist Folge der vorhergehenden Entscheidung des EuGH, den Leiharbeitnehmerbegriff der RL 2008/104/EG autonom auszulegen. Die autonome und damit erweiterte Auslegung wird zurecht im Schrifttum kritisiert, da die Richtlinie hinsichtlich ihres Arbeitnehmerbegriffes in Art. 3 Abs. 1 lit. a auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff verweist. Somit können auch Vertragsverhältnisse zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer, die nach nationalem Recht nicht als Arbeitsvertrag im Sinne von § 611a BGB eingeordnet werden, als Arbeitnehmerüberlassung qualifiziert werden, soweit der Leiharbeitnehmer für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. DRK- Schwestern sind aufgrund der Weisungsbindung gegenüber dem Verleiher daher Leiharbeitnehmer, auch wenn sie keine Arbeitnehmer nach nationalem Recht sind.
Rz. 31
Die Rechtsprechung sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass das Vertragsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nun ohne Relevanz wäre. Vielmehr ist im Einzelfall festzustellen, ob dem Verhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer eine Weisungsbindung im Sinne der unionsrechtlichen Rechtsprechung zugrunde liegt. Die Überlassung von Selbstständigen unterfällt dagegen auch weiterhin nicht dem AÜG. Allerdings führt die autonome Auslegung im Fall von Gesellschaftern bzw. Geschäftsführern dazu, dass hier zu differenzieren ist.
Während Alleingesellschafter und Mehrheitsgesellschafter auch nach autonomer Auslegung keiner derartigen Weisungsbindung unterliegen, kann im Fall der Überlassung von Minderheitsgesellschaftern ohne Sperrminorität und Fremdgeschäftsführern die autonome Auslegung zur Qualifizierung als Arbeitnehmerüberlassung führen. Allerdings findet das AÜG auch bei diesen keine Anwendung, wenn es sich um eine konzerninterne Überlassung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG handelt.
Für die Gestellung von Mitgliedern der DRK-Schwesternschaft wurden die Folgeprobleme dur...