Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
1. Allgemeines
Rz. 157
Die Europäische Zeitarbeitsrichtlinie sieht in Artikel 5 vor, dass Zeitarbeitnehmern für die Dauer der Überlassung an einen Entleiher mindestens die "wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen" zu gewähren sind, die gelten würden, wenn sie von dem Entleiher für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären. Dieses unter dem Begriff des Equal Treatment bekannte Prinzip umfasst nach der Definition aus Artikel 3 der Richtlinie die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die durch Gesetz, Verordnung, Verwaltungsvorschrift, Tarifvertrag und/oder sonstige verbindliche Bestimmungen allgemeiner Art, die im entleihenden Unternehmen gelten, festgelegt sind und sich auf folgende Punkt beziehen:
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Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub, arbeitsfreie Tage, |
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Arbeitsentgelt. |
Gleichzeitig regelt die Richtlinie in Art. 3, dass etwaige nationale Definitionen des Begriffs des "Arbeitsentgeltes" durch die Richtlinie unberührt bleiben. Eine praxistaugliche Definition des Equal Treatment kann somit bereits aus systematischen Gründen nicht von der Richtlinie erwartet werden.
Der nationale Gesetzgeber verwendet im AÜG den Begriff der "wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes" eines "vergleichbaren Arbeitnehmers des Entleihers". Ein höheres Maß an praxistauglicher Verständlichkeit ist jedoch auch durch die geänderte Formulierung nicht erreicht. Rechtlich mögliche Konkretisierungen der verwendeten Begriffe sind nicht erfolgt. Zum Verständnis der folgenden Ausführungen zum Umgang des Gesetzes mit dem Gleichstellungsgrundsatz ist es erforderlich, die tatsächliche Bedeutung des Gleichstellungsgrundsatzes zu verdeutlichen. Hierzu soll zunächst dargestellt werden, in welcher Art und Weise der "vergleichbare Arbeitnehmer" definiert ist, an den die gesamte Definition der "wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts" anknüpft. Sodann wird aufgezeigt werden, welche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen tatsächlich unter den Begriff des Equal Treatment zu fassen sind.
2. Vergleichbarer Arbeitnehmer
Rz. 158
Der Grundsatz der Gleichbehandlung – egal in welcher Ausprägung – setzt denknotwendig voraus, dass der Bezugspunkt definiert wird, gegenüber welchem die Gleichbehandlung erreicht werden muss. Das Gesetz knüpft hier an den "vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers" an.
Die Vergleichbarkeit ist dabei tätigkeitsbezogen zu bestimmen. Entscheidend ist, welche Tätigkeiten der Leiharbeitnehmer bei dem Entleiher ausübt. Auf etwaige Qualifikationen des Leiharbeitnehmers, die für die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht erforderlich sind, kommt es zunächst nicht an. Zudem ist der "vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers" durchaus eine natürliche Person. Soweit der Leiharbeitnehmer also Tätigkeiten ausübt, welche der Entleiher auch durch eigene Arbeitnehmer erbringen lässt, kann und muss somit auf einen tatsächlich vorhandenen vergleichbaren Arbeitnehmer abgestellt werden; ggf. auch auf den vormaligen, nachfolgend beim Entleiher beschäftigten Leiharbeitnehmer selbst. Eine fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in ein etwaiges Vergütungssystem des Entleihers ist in diesem Fall nicht vorzunehmen.
Rz. 159
Beschäftigt der Entleiher mehrere eigene Arbeitnehmer mit den Tätigkeiten, die auch von dem Leiharbeitnehmer übernommen werden, so existieren ggf. mehrere vergleichbare Arbeitnehmer. Sofern die Arbeitsbedingungen der einzelnen Arbeitnehmer hierbei voneinander abweichen, muss lediglich auf den vergleichbaren Arbeitnehmer mit den "schlechtesten" Arbeitsbedingungen abgestellt werden. Die entsprechenden Vorschriften aus dem AÜG sollen verhindern, dass Leiharbeitnehmer im Kundeneinsatz schlechter gestellt werden als die eigenen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers. Eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihers ist jedoch nicht das Ziel des Gesetzes. Aus diesem Grund muss bei mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern nicht auf die besten oder auf die durchschnittlichen Arbeitsbedingungen abgestellt werden, sondern tatsächlich nur auf den vergleichbaren Arbeitnehmer, der die "schlechtesten" Arbeitsbedingungen erhält.
Rz. 160
Vor allem Entgeltunterschiede innerhalb der Gruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer dürften regelmäßig insbesondere dann auftreten, wenn die vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Laufe ihrer Betriebszugehörigkeit eine Entgeltentwicklung durchlebt haben, so dass die tatsächliche Höhe der Vergütung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebszugehörigkeit steht. Es stellt sich somit die Frage, auf welche Entgelthöhe in einer solchen Situation abzustellen ist, wenn die vergleichbaren Arbeitnehmer zwar unterschiedlich lange, jedoch beispielsweise jeweils bereits 15 oder 20 Jahre betriebszugehörig sind. Offensichtlich würde in einem solchen Fall die Vergütung eines neu hinzukommenden Arbeitnehmers des Entleihers geringer ausfallen, als die Vergütung der k...