Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 39
Ausgangspunkt der Neuregelung einer Bereichsausnahme für den öffentlichen Dienst war eine Gesetzesinitiative der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die Ende Oktober 2013 einen entsprechenden Entschließungsantrag in den Bundesrat einbrachten. Der vom Bundesrat angenommene Antrag zielte darauf ab, die Personalgestellung im öffentlichen Dienst generell aus dem Anwendungsbereich des AÜG auszunehmen oder zumindest für öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften ein vereinfachtes und kostenfreies Verfahren für die Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung einzurichten. Mit dem Referentenentwurf des BMAS vom 16.11.2015 fand der Vorstoß in abgewandelter Form Eingang in das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Im weiteren Verlauf wurde der Vorschlag ohne größere Änderungen in den Gesetzesentwurf der Bundesregierung übernommen. Nicht berücksichtigt wurde ein Ersuchen des Bundesrates, die Personalgestellung zwischen schulischen Einrichtungen und ihren außerschulischen Kooperationspartnern aufgrund der Verfolgung rein ideeller Ziele vollständig aus dem Anwendungsbereich des AÜG herauszunehmen, so dass hier keine gesetzlichen Besonderheiten gelten.
Rz. 40
Die Aufnahme einer Bereichsausnahme in das AÜG war aus Sicht der Bundesländer notwendig geworden, nachdem mit dem AÜG-Änderungsgesetz aus dem Jahr 2011 das Merkmal der gewerbsmäßigen Überlassung als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Gesetzes aufgegeben wurde. Seither bestimmt § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG, dass das Gesetz auf Überlassungen von Verleihern im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit Anwendung findet. Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG wird in Anlehnung an das vom EuGH im Wettbewerbsrecht entwickelte Verständnis weit ausgelegt. Unter der wirtschaftlichen Tätigkeit wird jede Tätigkeit verstanden, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Erfasst ist hiernach praktisch jede Teilnahme am Wirtschaftsverkehr, unabhängig davon, ob Erwerbszwecke verfolgt werden, so dass prinzipiell auch die öffentliche Hand hiervon betroffen ist. Jüngst hat der 7. Senat des BAG die Frage aufgeworfen, ob in den Fällen der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD durch einen öffentlichen Arbeitgeber an einen Dritten, auf den zuvor Aufgaben des betroffenen Arbeitnehmers verlagert wurden, das Merkmal der "wirtschaftlichen Tätigkeit" erfüllt ist. Für die Einordnung der Personalgestellung als wirtschaftliche Tätigkeit spricht, dass das überlassende Unternehmen keinen Erwerbszweck verfolgen muss und im Rahmen der Personalgestellung regelmäßig ein Entgelt gezahlt wird, das jedenfalls die Personal- und die Verwaltungskosten umfasst. Dagegen kann jedoch eingewendet werden, dass die Personalgestellung primär dem Erhalt des Arbeitsplatzes dient, ohne Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Letztendlich wird auch die Klärung dieser Frage dem EuGH zukommen.
Etwas anderes gilt im Falle der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten, die nach ständiger Rechtsprechung des EuGH keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen und entsprechend hiervon abzugrenzen sind. Für Letztere gilt das AÜG unstreitig nicht. Allerdings vertritt der EuGH ein enges Verständnis der hoheitlichen Tätigkeit.
Rz. 41
Auf Basis des weiten Begriffsverständnisses der wirtschaftlichen Tätigkeit entwickelte sich die – allerdings inhaltlich nicht überzeugende – Auffassung, dass vorübergehende wie dauerhafte Formen der Personalüberlassung im öffentlichen Dienst dem Anwendungsbereich des AÜG unterfallen. Die Bundesagentur für Arbeit geht bislang von einer Erlaubnispflicht der Personalgestellung sowie von Abordnungen i.S.d. § 4 Abs. 1, 3 TVöD/TV-L aus. Da die Personalgestellung zudem in der Regel eine dauerhafte Verlagerung der Aufgaben und dementsprechend einen unbefristeten Einsatz bei dem neuen Aufgabenträger beinhaltet, wäre diese wegen Verstoßes gegen das Gebot der lediglich vorübergehenden Überlassung von Arbeitnehmern nicht nur erlaubnispflichtig, sondern zudem grds. unzulässig. Auf dieser Basis stufte etwa das LAG Baden-Württemberg die Personalgestellung als unzulässige und damit verbotene Form einer dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung ein. Die Bundesagentur für Arbeit hat dieser Einschätzung folgend vorgegeben, dass öffentlichen Arbeitgebern nur eine befristete Erlaubnis zur Personalgestellung erteilt werden darf. Allerdings gibt es in der Rechtsprechung auch Gegenstimmen, die sich gegen eine Anwendbarkeit des AÜG aussprachen. Die hierdurch für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber in Bund, Ländern und Kommunen infolge divergierender Entscheidungen und Verwaltungsanweisungen geschaffene unsichere Rechtslage führte aufgrund der vorsorglich bei der Bundesagentur für Arbeit eingereichten Erlaubnisanträge zu einem erheblichem Zeit- und Kostenaufwand. Die höchstrichte...