Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 205
Der Politik waren und sind derartige Werk-/Dienstvertragskonstruktionen mit Fallschirm ein Dorn im Auge, sodass es nicht verwundert, dass sich der Koalitionsvertrag vom 16.12.2013 diesen annimmt. Unter der Überschrift "Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen verhindern" heißt es bereits recht deutlich:
Zitat
"Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen verhindert werden. Dafür ist es erforderlich, die Prüftätigkeit der Kontroll- und Prüfinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu konzentrieren, organisatorisch effektiver zu gestalten, zu erleichtern und im ausreichenden Umfang zu personalisieren […] und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu sanktionieren. Der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber dürfen auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht bessergestellt sein, als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt."
Aus der beabsichtigten Gleichstellung von illegaler und verdeckter Arbeitnehmerüberlassung konnte nur abgeleitet werden, dass die Große Koalition plante, der Fallschirmlösung einen (gesetzlichen) Riegel vorzuschieben. Ob dies ordnungspolitisch geboten erschien, steht freilich auf einem anderen Blatt. Der nur verdeckt Arbeitnehmerüberlassung betreibende Verleiher hat sich immerhin einer Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Erlaubnisbehörde unterzogen, um die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 AÜG überhaupt zu erhalten. Diesen qua gesetzlicher Anordnung auf die gleiche Stufe mit einem Unternehmen zu stellen, das illegal Arbeitnehmerüberlassung betreibt, insbesondere ohne überhaupt eine rechtliche Legitimität des Einsatzes herstellen zu wollen, ist nicht überzeugend und schlussendlich nicht gerechtfertigt. Dennoch ist diese vornehmlich politische Entscheidung in der Praxis bis auf Weiteres hinzunehmen.
Im Koalitionsvertrag der "Ampel" vom 7.12.2021 finden sich mit Blick auf den Fremdpersonaleinsatz und insbesondere die Arbeitnehmerüberlassung nur sehr "dosierte" Regelungen. Dort heißt es insbesondere, dass Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung notwendige Instrumente seien. Beim AÜG solle im Fall einer europäischen Rechtsprechung geprüft werden, ob und welche gesetzlichen Änderungen unter Berücksichtigung der Gesetzesevaluierung vorzunehmen seien.
Konkrete Anpassungen des AÜG mit Blick auf die mit Wirkung zum 1.4.2017 eingeführte Offenlegungs-, Konkretisierungs- und Informationspflicht lassen sich daraus nicht ableiten. Positiv ist zunächst herauszustellen, dass sich die Ampel-Koalition zunächst zur Arbeitnehmerüberlassung und zu Werkverträgen – im positiven Sinne – bekennt. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, wenn berücksichtigt wird, dass diesen Arbeitsformen in der Vergangenheit durchaus ein (politischer) Gegenwind entgegengeschlagen ist – auch und insbesondere von Parteien, die sich nunmehr in der Ampel-Koalition zusammengeschlossen haben.
Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass es gewisse Nachjustierungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung in der laufenden Legislaturperiode geben wird. Die Ampel-Koalition hält sich diese Option zumindest offen, indem diese ausdrücklich auf die zu erwartenden Entscheidungen des EuGH, die jedoch in erster Linie Fragen zur Überlassungshöchstdauer und zum Gleichstellungsgrundsatz bzw. zu einer Abweichung davon betreffen, und das Ergebnis der Evaluierung des AÜG (vgl. § 20 AÜG) verweist. Hier bleibt also die weitere Entwicklung im Auge zu behalten. Als überwiegend wahrscheinlich dürfte es allerdings nicht zu bezeichnen sein, dass die Ampel gerade bei der Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht nachschärft. Umgekehrt dürfte aber auch nicht damit zu rechnen sein, dass in diesem Zusammenhang das Rad auf die bis zum 31.3.2017 geltende Rechtslage zurückgedreht wird.