Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
1. Allgemeine Grundsätze
Rz. 426
Die seit dem 1.4.2017 geltende Fassung des AÜG wurde in § 16 AÜG um fünf neue Bußgeldtatbestände ergänzt, um die Einhaltung der neuen gesetzlichen Vorgaben umfänglich sicherzustellen. Bußgeldbewehrt sind seitdem (i) der Verstoß gegen das Verbot der Kettenüberlassung (§ 16 Abs. 1 Nr. 1b AÜG), (ii) der Verstoß gegen die Offenlegungspflicht (§ 16 Abs. 1 Nr. 1c AÜG), (iii) der Verstoß gegen die Konkretisierungspflicht (§ 16 Abs. 1 Nr. 1d AÜG), (iv) der Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer (§ 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG) sowie (v) der Verstoß gegen das Verbot des Streikbrechereinsatzes (§ 16 Abs. 1 Nr. 8a AÜG). Die neuen Tatbestände betreffen teils ausschließlich den Verleiher (§ 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG), teils nur den Entleiher (§ 16 Abs. 1 Nr. 8a AÜG) und teils Verleiher und Entleiher gleichermaßen (§ 16 Abs. 1 Nr. 1b, Nr. 1c, Nr. 1d AÜG). Redaktionell angepasst wurden darüber hinaus § 16 Abs. 1 Nr. 7a AÜG (Verstoß gegen das Gleichstellungsgebot) und § 16 Abs. 1 Nr. 7b AÜG (Verstoß gegen die Mindestlohnuntergrenze), die nun auf den neu gefassten § 8 AÜG (Grundsatz der Gleichstellung) verweisen.
Die Gesetzessystematik des § 16 AÜG ist durch die Gesetzesänderung unverändert geblieben. § 16 Abs. 1 AÜG erfasst die Bußgeldtatbestände, § 16 Abs. 2 AÜG die maximale Bußgeldhöhe je Verstoß und § 16 Abs. 3–5 AÜG regeln das Verfahren der Ordnungswidrigkeitenverfolgung. Die Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten finden nach § 2 OWiG im Rahmen des § 16 AÜG ergänzend Anwendung. Bei Anwendung der neu eingefügten Bußgeldtatbestände ist daher § 4 Abs. 1 OWiG zu beachten, der ein Rückwirkungsverbot normiert.
Es gilt das Prinzip der Organhaftung. Sind Verleiher oder Entleiher keine natürlichen Personen, sondern juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften, richtet sich in diesen Fällen das Bußgeldverfahren nach §§ 9, 29 OWiG gegen das vertretungsberechtigte Organ, den vertretungsberechtigten Gesellschafter, den Prokuristen sowie sonstige Personen mit Leitungsverantwortlichkeit. Hat die vertretungsberechtigte Person tatbestandsmäßig gehandelt, kann gemäß § 30 OWiG eine Geldbuße auch gegen die juristische Person bzw. Personenhandelsgesellschaft verhängt werden, wenn diese bereichert worden ist oder werden sollte.
Sofern ein Mitarbeiter des Verleihers bzw. Entleihers, der nicht zur Geschäftsführung bzw. Vertretung berufen ist, den Ordnungswidrigkeitentatbestand verwirklicht hat, kann der Betriebsinhaber gleichwohl nach § 130 OWiG verfolgt werden, sollte er die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen haben.
2. Neue objektive Bußgeldtatbestände des § 16 AÜG
a) Verbot der Kettenüberlassung, § 16 Abs. 1 Nr. 1b AÜG
Rz. 427
§ 16 Abs. 1 Nr. 1b AÜG adressiert sowohl Verleiher (genauer den weiterverleihenden Entleiher) als auch dessen Entleiher (den Folge-Entleiher). Nicht erfasst ist dagegen der "Erst-Verleiher", zu dem der Leiharbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht. Nach der Regelung handelt ordnungswidrig, wer einen Leiharbeitnehmer überlässt oder tätig werden lässt, der in keinem Arbeitsverhältnis zum Verleiher steht. Hiermit wird das nun erstmals in § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG gesetzlich verankerte Verbot der sogenannten Kettenüberlassung sanktioniert (siehe im Einzelnen Rdn 32 ff.). Zwar war es seit jeher Rechtsauffassung der Bundesagentur für Arbeit, dass eine Kettenüberlassung unzulässig ist. Da sich jedoch bislang keine gesetzliche Regelung hierzu fand, konnte die Bundesagentur Verstöße gegen eine Kettenüberlassung auch nahezu nicht sanktionieren.
Nunmehr ist in § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG ausdrücklich vorgesehen, dass die Überlassung von Arbeitnehmern zukünftig nur dann zulässig ist, wenn zwischen dem überlassenen Unternehmen und dem jeweiligen Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht.
Ein Verstoß hiergegen wird mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000 EUR je Einzelfall sanktioniert. Zuständige Kontrollbehörde ist die Bundesagentur für Arbeit.