1. Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung

 

Rz. 2

Bereits nach bisheriger Rechtslage war der Begriff des Leiharbeitnehmers in § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG a.F. legaldefiniert, wenn auch ohne klarstellenden Hinweis auf den Begriff der Arbeitnehmerüberlassung. Durch eine Änderung in § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG wurde die Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung deutlicher gefasst.[3] Die Vorschrift lautet seitdem:

Zitat

Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis.

 

Rz. 3

Die Ergänzung der Vorschrift hat ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich einen Klarstellungszweck.[4] Der Gesetzgeber wollte nicht den bisherigen Anwendungsbereich des AÜG oder die Reichweite der Erlaubnispflicht verändern, sondern die zu dieser Thematik gefestigte Rechtsprechung lediglich gesetzlich abbilden.[5] Dies soll im Rechtsverkehr die Abgrenzung zwischen Leiharbeitnehmern, die im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt werden, und Erfüllungsgehilfen, die auf der Grundlage eines Werk- bzw. Dienstvertrages arbeiten, erleichtern.[6] Ergänzend wurde § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG neu gefasst, der seit der Reform wie folgt lautet:[7]

Zitat

Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen.

 

Rz. 4

Bereits vor der Gesetzesreform gingen Rechtsprechung und die überwiegende Meinung im Schrifttum im Falle eines Fremdpersonaleinsatzes von einer Arbeitnehmerüberlassung aus, wenn Leiharbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert wurden und dessen Ausübung des Direktionsrechts unterliegen.[8] Wie § 12 Abs. 1 S. 2 AÜG klarstellt, kommt es dabei im Zweifel auf die tatsächliche Vertragsdurchführung und nicht auf den Vertragsinhalt an. Insofern wurde durch die Neuregelung lediglich geltendes Recht kodifiziert, ohne eine inhaltliche Neuausrichtung vorzunehmen. Für Weiteres siehe Rdn 27 ff.

 

Praxishinweis

Das bedeutet auch, dass sich für die Praxis an den mitunter schwierigen und knappen Abgrenzungsfragen zwischen (verdeckter) Arbeitnehmerüberlassung und Fremdpersonaleinsatz, etwa im Rahmen von Werkverträgen, nichts geändert hat.

[3] BT-Drucks 18/9232, 7.
[4] BT-Drucks 18/9232, 19; DAV, RdA 2016, 173.
[5] Hierzu kritisch Thüsing/Schmidt, ZIP 2016, 54, 55 ff.; Tuengerthal/Andorfer, BB 2016, 1909, 1911.
[6] BT-Drucks 18/9232, 19.
[7] Die Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung ist allerdings nicht vollständig deckungsgleich mit der Definition der Rechtsprechung, BeckOK-ArbR/Kock, AÜG § 1 Rn 22; Thüsing, DB 2016, 2663 f.
[8] St. Rspr., s. nur BAG v. 25.10.2000 – 7 AZR 487/99, NJW 2001, 1516 = BAGE 96, 150; BAG v. 10.2.1977 – 2 ABR 80/76, NJW 1977, 1413 = BAGE 29, 7; aus der Lit. statt vieler ErfK/Wank/Roloff, § 1 AÜG Rn 25 ff.; HWK/Höpfner, § 1 AÜG Rn 10; Schüren/Hamann/Hamann, § 1 AÜG Rn 111 ff.

2. Veränderungen beim Anwendungsbereich des AÜG

a) Bereichsausnahmen für den öffentlichen Dienst

 

Rz. 5

Eine zentrale, wenngleich in der öffentlichen Diskussion um die Regulierung der Leiharbeit wenig beachtete Regelung im AÜG betrifft Fremdpersonaleinsätze innerhalb des öffentlichen Dienstes sowie der Kirchen. Nach früherer Rechtslage war äußerst umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Drittpersonaleinsätze im öffentlichen Dienst (vor allem die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD / TV-L) als Arbeitnehmerüberlassung einzustufen sind.[9] Hierauf hat der Gesetzgeber bei der letzten AÜG-Reform reagiert, indem er in § 1 Abs. 3 Nr. 2b und 2c AÜG großzügige Bereichsausnahmeregelungen für den öffentlichen Dienst vorgesehen hat. Danach ist vor allem für tarifliche Personalgestellungen, wie sie die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst vorsehen, der Anwendungsbereich des AÜG nicht eröffnet. Zudem findet sich in den Vorschriften eine Ausnahmeregelung für öffentliche tarifgebundene Arbeitgeber, die an das für private Arbeitgeber geltende Konzernprivileg (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG) angelehnt ist. Näheres hierzu ist unter Rdn 37 ff. dargestellt.

[9] Vgl. BT-Drucks 18/9232, 22.

b) Keine Änderungen beim sog. Konzernprivileg und weiteren Ausnahmetatbeständen

 

Rz. 6

Keine inhaltlichen Änderungen haben sich durch die AÜG-Novelle im Hinblick auf die schon zuvor in § 1 Abs. 3 AÜG vorgesehenen Ausnahmetatbestände, auf welche das Gesetz grundsätzlich keine Anwendung findet, ergeben.[10] Diese betreffen folgende Fälle:[11]

Überlassungen zwischen Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen, wenn ein für den Entleiher und Verleiher geltender Tarifvertrag dies vorsieht (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG);
Überlassungen zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des AktG, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG);
Überlassungen zwischen Arbeitgebern, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird (§ 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG);
Überlassungen in das Ausland, wenn der Leiharbeitnehmer in ein auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen begründe...

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