Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
1. Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Leistungsverweigerungsrechts
Rz. 319
Die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts durch einen Leiharbeitnehmer wird sich in der Praxis regelmäßig allenfalls im Rahmen von Klagen auf Vergütung, Klagen gegen Abmahnungen und möglicherweise anlässlich von Kündigungsschutzklagen stellen. Dabei ergeben sich keine Besonderheiten. Das Gericht hat dann inzident zu prüfen, ob die Voraussetzungen von § 11 Abs. 5 S. 3 AÜG vorlagen.
2. Reaktionsmöglichkeiten des Leiharbeitnehmers bei Verstoß gegen das Einsatzverbot
Rz. 320
Beharrt der Entleiher auf einem Einsatz des Leiharbeitnehmers, den er nach Maßgabe von § 11 Abs. 5 S. 1, 2 AÜG nicht tätig werden lassen darf, hat der Leiharbeitnehmer grundsätzlich ein Interesse an der Feststellung, dass ein Einsatzverbot besteht oder dass er der (Zu-)Weisung nicht nachkommen muss. Eine Klage wäre gegen den Vertragspartner und damit gegen den Verleiher zu richten. Regelmäßig wird sich eine Feststellungsklage jedoch wegen der Überholung durch die Beendigung des Arbeitskampfes erledigen.
Rz. 321
Für eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Zuweisung von Tätigkeiten im Rahmen von § 11 Abs. 5 AÜG wird es zumeist an einem Verfügungsgrund fehlen. Auch bei sonstigen rechtswidrigen Weisungen verweist die zuständige Instanzenrechtsprechung den Arbeitnehmer weitgehend auf die Hauptsache. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen bei deutlich gesteigertem Abwehrinteresse des Arbeitnehmers, etwa bei erheblichen Gesundheitsgefahren, einer drohenden irreparablen Schädigung des beruflichen Ansehens, bei schweren Gewissenskonflikten oder in Fällen offenkundiger Rechtswidrigkeit kann ein Verfügungsgrund vorliegen. Im Falle des Einsatzverbotes wird je nach Einzelfall allenfalls an eine offenkundige Rechtswidrigkeit zu denken sein. Eine Besonderheit besteht zwar darin, dass der Leiharbeitnehmer – anders als bei einer Versetzung – nicht seine Beschäftigung zu den alten Bedingungen geltend macht, sondern versucht, ein Beschäftigungsverbot durchzusetzen. Gleichwohl wird man auch bei der Durchsetzung des Einsatzverbotes ein gesteigertes Abwehrinteresse des Leiharbeitnehmers fordern müssen. Denn der Leiharbeitnehmer erfährt keine wesentlichen Nachteile, wenn er der Zuweisung der Tätigkeit zunächst nachkommen muss. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise rechtswidrige Beschäftigung des Leiharbeitnehmers nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür regelmäßig nicht aus, zumal der Leiharbeitnehmer seine Leistung verweigern kann.
Rz. 322
Bei einem Einsatzverbot kann der Leiharbeitnehmer seine Leistung auch dann zu Recht verweigern, wenn der Entleiher auf einen Einsatz besteht. Das BAG geht inzwischen davon aus, dass ein Arbeitnehmer einer (nur) unbilligen Weisung nicht nachkommen muss. Dies galt bereits zuvor, wenn die Weisung aus anderen Gründen, etwa wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam war. Die Zuweisung der Tätigkeit bei bestehendem Einsatzverbot wäre aufgrund des gesetzlichen Verbots nach § 11 Abs. 5 S. 1 AÜG bereits unwirksam. Der Leiharbeitnehmer trägt bei einer Leistungsverweigerung allerdings das Risiko, dass ein Einsatzverbot tatsächlich nicht vorgelegen hat.
3. Reaktionsmöglichkeiten der streikenden Gewerkschaft
Rz. 323
Weigert sich der Entleiher, dem Einsatzverbot nachzukommen, besteht auch seitens der streikenden Gewerkschaft ein Interesse, das Einsatzverbot gerichtlich durchzusetzen. Gewerkschaften können im Ausgangspunkt von Arbeitgebern Unterlassung eines Verhaltens gemäß §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG verlangen, wenn der Arbeitgeber rechtswidrig in die Koalitionsfreiheit der streikenden Gewerkschaft eingreift. Dieser Anspruch wird regelmäßig im Wege des vorläufigen (und möglicherweise vorbeugenden) Rechtsschutzes geltend gemacht. Da sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, durch das Einsatzverbot den Arbeitskampf zu regulieren und damit die Koalitionsfreiheit der Entleiher – wenn auch in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise – insoweit begrenzt, kann sich die streikende Gewerkschaft auf ihre Koalitionsfreiheit als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB berufen, soweit sich der Entleiher nicht an das Einsatzverbot hält.
Rz. 324
Neben der dogmatisch nicht unumstrittenen Begründung eines Unterlassungsanspruchs wegen eines Eingriffs in die Koalitionsfreiheit kann die streikende Gewerkschaft ihren Anspruch auch aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 11 Abs. 5 S. 1 AÜG herleiten. Verbotsgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sind solche Rechtsnormen, die gerade auch den Anspruchsteller gegen die Verletzung eines Rechtsguts schützen. Das Einsatzverbot soll nach der Intention des Gesetzgebers zwei Schutzrichtungen haben. Es soll einerseits den Leiharbeitnehmer schützen. Gleichzeitig sollen aber auch "missbräuchliche Einwirkungen" auf den Arbeitskampf unterbunden werden. D...