Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
Rz. 179
Auch wenn durch die Anwendung entsprechender Leiharbeitstarifverträge der Equal Treatment Grundsatz abbedungen wird, so sieht das Gesetz in § 8 Abs. 4 AÜG vor, dass hinsichtlich des Arbeitsentgeltes nur für die ersten neun Einsatzmonate vom Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden kann. Nach neun Monaten im selben Einsatz hat der Leiharbeitnehmer somit Anspruch auf "Equal Pay" – also Gleichbehandlung, allerdings ausschließlich bezogen auf das Arbeitsentgelt.
Rz. 180
Die punktuelle Gleichbehandlung, welche der Equal Pay Grundsatz vorsieht, stammt nicht aus der Richtlinie und war auch der früheren Gesetzeslage nicht bekannt. Gleichwohl handelt es sich hierbei um den wesentlichen Teil des Equal Treatment, welcher insbesondere auch für die Leiharbeitnehmer regelmäßig die größte Bedeutung hat. Dass nach neun Monaten auf Equal Pay und nicht Equal Treatment abgestellt wird, dürfte in erster Linie ein Versuch sein, die Regelung für die Praxis handhabbar zu halten. Anhand der bereits getätigten Ausführungen zum vergleichbaren Arbeitnehmer und zum Inhalt des Equal Treatment lässt sich jedoch unschwer erkennen, dass die meisten Probleme auch dann unverändert bestehen bleiben, wenn man den Equal Treatment Anspruch auf ein Equal Pay reduziert.
Rz. 181
Ein weiterer – im Ergebnis untauglicher – Versuch, die entsprechende Regelung praxistauglich zu gestalten, ist die Vorschrift des § 8 Abs. 1 S. 2 AÜG. Dort wird geregelt, dass bei einer Vergütung des Leiharbeitnehmers entsprechend der für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden tarifvertraglichen Regelungen vermutet wird, dass es sich hierbei um Equal Pay handelt. Ist für die vergleichbaren Arbeitnehmer kein Tarifvertrag anwendbar, so kann stattdessen auf das für die jeweilige Einsatzbranche geltende tarifvertragliche Entgelt abgestellt werden.
Rz. 182
Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich hierbei ausdrücklich nur um eine Vermutungsregelung handelt, welche selbstverständlich widerlegt werden kann. Vor entsprechenden Vergütungsklagen des Leiharbeitnehmers wird die entsprechende Vermutung kaum jemals schützen können. Eine Klage auf (zusätzliche) Vergütung wird ein Leiharbeitnehmer regelmäßig nur dann anstrengen, wenn ihm Informationen darüber vorliegen, dass die vergleichbaren Arbeitnehmer tatsächlich eine höhere Vergütung erhalten. Sofern jedoch entsprechende konkrete Informationen vorgetragen werden, ist die Berufung auf eine entsprechende gesetzliche Vermutung hinfällig.
Rz. 183
Als hilfreich könnte sich die entsprechende Vermutungsregelung ggf. im Rahmen von Prüfungen durch die Agentur für Arbeit bzw. die Deutsche Rentenversicherung erweisen. Wenn in diesem Zusammenhang ein Überlassungsverhältnis überprüft wird, welches länger als neun Monate andauerte, so kann durch den Nachweis der tarifgerechten Vergütung zumindest der allgemeine Verdacht entkräftet werden, dass die gezahlte Vergütung nicht dem Equal Pay Niveau entspreche. Doch auch hier ist die gesetzliche Vermutung selbstverständlich widerleglich. Hat der Betriebsprüfer demnach – bspw. aufgrund früherer Prüfungen – Kenntnis davon, dass vergleichbare Arbeitnehmer in dem entsprechenden Einsatzbetrieb übertariflich vergütet werden, so ist die entsprechende Vermutung hinfällig und schützt weder vor Beitragsnachforderungen noch vor Bußgeldern.
Praxishinweis
Im Ergebnis führt dies dazu, dass man eine über neun Monate hinausgehende Arbeitnehmerüberlassung nicht ohne erhebliches Risiko auf Basis einer Vergütung nach den für den Entleiher einschlägigen Tarifverträgen abrechnen kann. Trotz der entsprechenden Regelung muss der Verleiher demnach umfassende Informationen über die tatsächliche Vergütungsstruktur und das tatsächliche Vergütungsniveau im Entleiherbetrieb einholen und eine entsprechende Dokumentation erstellen. Dies wird auch von der Agentur für Arbeit regelmäßig erwartet und eingefordert. Die gesetzliche Vermutungsregelung erweckt demnach lediglich den trügerischen Schein einer rechtssicheren Ausweichlösung.
Rz. 184
Ebenfalls ein Zugeständnis an die praktische Handhabbarkeit der geforderten Equal Pay Vergütung ist die Regelung in § 8 Abs. 1 S. 3 AÜG. Dort ist festgelegt, dass für Sachbezüge des Entleihers ein Wertausgleich in EUR erfolgen kann. Stellt der Entleiher seinen Stammarbeitnehmern demnach zum Beispiel einen Dienstwagen zur Verfügung, so muss der dort eingesetzte Leiharbeitnehmer nicht ebenfalls einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt bekommen, sondern kann stattdessen den wirtschaftlichen Wert des Dienstwagens in Geld ausgezahlt bekommen. Wie bereits an der Beschränkung der Gleichbehandlung auf den Equal Pay Anspruch wird auch hieran deutlich, dass der Gesetzgeber die wirtschaftliche Gleichbehandlung als den wesentlichen Aspekt des Equal Treatment Grundsatzes ansieht. Solange eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit gegeben ist, legt der Gesetzgeber keinen großen Wert auf tatsächlich identische Arbeitsbedingungen.
Rz. 185
Auch wenn es sich bei dem nach neun Monaten geforderten Equal Pay nur um e...