Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
1. Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags mit dem Verleiher
Rz. 138
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG wird das Arbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer mit Überschreiten der Überlassungshöchstdauer unwirksam, wenn der Leiharbeitnehmer nicht bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer schriftlich gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festzuhalten (zur Festhaltenserklärung Rdn 249 ff.). Dies gilt sowohl bei der Überschreitung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten als auch bei der Überschreitung einer nach § 1 Abs. 1b S. 3 bis 8 AÜG abweichend festgelegten Überlassungshöchstdauer. Die gesetzlichen Folgen einer Überschreitung der Überlassungshöchsdauer stehen nicht zur Disposition der Tarif- und/oder Betriebsparteien. Ausreichend ist ein objektiver Verstoß, sodass es auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten nicht ankommt. Die Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags tritt mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) ein. Für die Vergangenheit hat die Überschreitung der Überlassungshöchstdauer somit keine Rechtsfolgen.
Rz. 139
Soweit der Leiharbeitsvertrag trotz Eintritt der Unwirksamkeit weiter vollzogen worden ist, gelten zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses. Der unwirksam gewordene Leiharbeitsvertrag ist für die Dauer des Vollzugs als wirksam zu behandeln (zur gesamtschuldnerischen Haftung hinsichtlich sonstiger Teile des Arbeitsentgelts unten Rdn 145). Das faktische Arbeitsverhältnis kann jedoch jederzeit beiderseits für die Zukunft mit einer einseitigen Erklärung beendet werden. Das Recht, die Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags geltend zu machen, kann nicht verwirken (vgl. auch unten Rdn 143). Allerdings kann in einer fortgesetzten Durchführung des Leiharbeitsverhältnisses ein konkludenter Neuabschluss des Leiharbeitsvertrags zu sehen sein.
Rz. 140
Beispiel:
Der Verleiher V hat den Leiharbeitnehmer L für einen ununterbrochenen Zeitraum von 24 Monaten an das Unternehmen U 1 überlassen. Eine abweichende tarifliche oder betriebliche Regelung zur Überlassungshöchstdauer besteht nicht. Nach Beendigung der Überlassung überlässt V den L für sechs Monaten an das Unternehmens U 2. L widerspricht dem nicht. In dieser Fortsetzung des Leiharbeitsverhältnisses mit V ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ein konkludenter Neuabschluss des Leiharbeitsvertrags zu sehen.
2. Folgen für den Überlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher
Rz. 141
§ 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG sieht – anders als bei einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung – nicht vor, dass mit dem Überschreiten der Überlassungshöchstdauer auch der Überlassungsvertrag unwirksam wird. Eine Unwirksamkeit des Überlassungsvertrags wegen eines Verstoßes gegen die Überlassungshöchstdauer käme daher nur dann in Betracht, wenn die Regelungen zur Überlassungshöchstdauer in § 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b AÜG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellen würden. Vor der gesetzlichen Neuregelung war umstritten, ob das vom BAG aus § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG hergeleitete Verbot der Dauerüberlassung (hierzu oben Rdn 68) ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellte, welches auch die Nichtigkeit des Überlassungsvertrags nach sich zog. Mit der Regelung der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Überlassungshöchstdauer in § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG dürfte ein ergänzender Rückgriff auf § 134 BGB indes nicht mehr möglich sein. § 9 AÜG enthält Sonderregeln, neben denen für die Anwendung des § 134 BGB kein Raum mehr ist. Eine Unwirksamkeit des Überlassungsvertrags ist auch nicht zum Schutz des Leiharbeitnehmers erforderlich. Seinem Interesse wird vielmehr bereits durch die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG Rechnung getragen.
Rz. 142
Bleibt der Überlassungsvertrag wirksam, stellt sich die Frage, wie sich der Verstoß gegen die Überlassungshöchstdauer auf die Vergütungsansprüche des Verleihers auswirkt. Insoweit spricht einiges dafür, dass der Entleiher für die Zeit nach Überschreiten der Überlassungshöchstdauer geleistete Überlassungsentgelte vom Verleiher nach §§ 326 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB zurückverlangen kann. Mit dem Überschreiten der Überlassun...