Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
I. Grundlagen der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung
1. Allgemeines
Rz. 402
Hinsichtlich der infolge der AÜG-Reform in Kraft tretenden Änderungen ist in Bezug auf Fälle einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung zum einen zwischen sog. Outbound- und Inbound-Fällen zu unterscheiden. Zum anderen sind aber die Rechtsänderungen danach zu differenzieren, ob diese inhaltlich auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers einwirken (Gleichbehandlungsgebot), für Ver- und Entleiher eine Höchstüberlassungsdauer festlegen oder den Parteien formale Pflichten bzgl. der Ausgestaltung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages auferlegen.
2. Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers
Rz. 403
Da das auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers anwendbare Recht allein dem Privatrecht zuzuordnen ist, bestimmt sich bei der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung die Wahl des auf das Leiharbeitsverhältnis anwendbaren Rechts nach der ROM I-Verordnung vom 17.6.2008 (VO EG 593/08). Die VO EG 593/08 regelt, welches nationale Privatrecht auf das Leiharbeitsverhältnis Anwendung findet.
Wegen des Zusammenspiels aus grds. Rechtswahl-Freiheit (Art. 8 VO EG 593/08) einerseits und Überlagerung zwingender Arbeitsschutzbestimmungen (Art. 9 VO EG 593/08) andererseits ergeben sich erhebliche Anwendungsunterschiede zwischen sog. Outbound- und Inbound-Fällen.
a) Outbound-Fälle
Rz. 404
Das Leiharbeitsverhältnis unterliegt zunächst grds. dem von den Parteien gewählten Recht, vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 1 VO EG 593/08. Aufgrund einer entsprechenden ausdrücklichen oder konkludenten Rechtswahl in dem Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers ist demnach das im Sitzstaat des Verleihers geltende Recht anzuwenden. Fehlt es aber an einer solchen Rechtswahl im Leiharbeitsvertrag, wird man regelmäßig kraft objektiver Anknüpfung zur Anwendung des Rechts des Sitzstaates des Verleihers kommen. Entweder weil der Leiharbeitnehmer regelmäßig im Sitzstaat des Verleihers und nur ausnahmsweise ins Ausland überlassen wird (vgl. Art. 8 Abs. 2 VO EG 593/08) oder weil der Leiharbeitnehmer zwar ständig im Ausland eingesetzt ist, dies aber in wechselnden Staaten nach Art. 8 Abs. 3 VO EG.
Das Recht des Sitzstaates des Verleihers wird nach Art. 12 Abs. 2 VO EG 593/08 jedoch durch die am ausländischen Einsatzort geltenden Bestimmungen insoweit überlagert, wie diese die Art und Weise der Vertragserfüllung regeln. Hierunter fallen insbesondere die Bestimmungen zum Arbeitsschutz und zur Arbeitszeit.
Rz. 405
Aus diesen Grundsätzen folgt, dass der Gleichstellungsgrundsatz gemäß § 8 AÜG den Verleiher auch in von Deutschland ausgehenden Outbound-Fällen verpflichtet, nach neun Monaten der ununterbrochenen Überlassung Equal Pay zu gewähren.
b) Inbound-Fälle
Rz. 406
In entsprechender – umgekehrter – Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze in Outbound-Fällen gilt für Inbound-Fälle, dass das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers zunächst weiterhin dem ausländischen Recht des Sitzstaates des ausländischen Verleihers unterfällt. Indes bestimmt § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 AEntG, dass die Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen, auch für in Deutschland tätige Leiharbeitnehmer gelten.
Rz. 407
Danach haben die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen eines bei einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber beschäftigten Leiharbeitnehmers während der Dauer seiner Tätigkeit in Deutschland dem Equal Treatment Grundsatz (einschließlich tarifvertraglicher Abweichungsmöglichkeiten) zu entsprechen. In gleicher Weise sind die Bestimmungen des AÜG über die Höchstüberlassungsdauer wie die zwingenden Formvorschriften in Inbound-Fällen zu beachten.
Dies gilt nach § 2 Abs. 2 AEntG unabhängig davon, ob der Entleiher in Deutschland ansässig ist, sodass eine grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung erfolgt, oder ob der Entleiher ebenfalls im Ausland sitzt, dieser den Leiharbeitnehmer jedoch in Deutschland tätig werden lässt (sog. "Huckepack-Entsendung").
3. Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
a) Outbound-Fälle
Rz. 408
Das auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als privatrechtlicher Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher anwendbare Recht bestimmt sich nach der ROM I-Verordnung. Danach unterliegt dieses Rechtsverhältnis vorrangig dem von den Vertragsparteien vertraglich vereinbarten Recht, vgl. Art. 3 Abs. 1 VO EG 593/08. Ohne eine solche vertragliche Rechtswahl gilt das Recht desjenigen Staates, in dem diejenige Vertragspartei ihren gewöhnlichen Sitz hat, welche die für den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag charakteristische Leistung erbringt, vgl. Art. 4 Abs. 2 VO EG 593/08. Dies ist die Überlassungsverpflichtung des Verleihers.
Rz. 409
In Outbound-Fällen finde demnach auf die Rechtsbeziehung zwischen Verleiher und Entleiher regelmäßig deutsches Recht Anwendung. Demnach gelten in diesen Outbound-Fällen auch die neuen Unwirksamkeitsgründe (§ 9 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 1b AÜG) des geänderten AÜG, bspw. bei fehlender vertraglicher Konkretisierung der Überlassung.
b) Inbound-Fälle
Rz. 410
Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze fi...