Dr. iur. Robert Bauer, Dr. iur. Oliver Bertram
I. Allgemeines
Rz. 439
Das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze ist am 1.4.2017 in Kraft getreten, vgl. Art. 7 AÜG-ÄndG. Die bereits in der bis 31.3.2017 geltenden Fassung des § 19 AÜG enthaltene Übergangsvorschrift wurde in den neuen § 19 Abs. 1 AÜG übernommen, verbunden mit redaktionellen Änderungen. Demnach findet weiterhin die sog. Drehtürklausel keine Anwendung auf Leiharbeitsverhältnisse, die vor dem 15.12.2010 begründet worden sind. Die zuvor in § 3 Abs. 1 Nr. 3 S. 4 und § 9 Nr. 2 letzter Hs. AÜG untergebrachte Drehtürklausel ist allerdings nunmehr als Grundsatz in § 8 Abs. 3 AÜG verankert. Folgerichtig nimmt der neue § 19 Abs. 1 AÜG Bezug auf § 8 Abs. 3 AÜG. Überdies wurde § 19 AÜG um einen zweiten Absatz ergänzt. Nach § 19 Abs. 2 AÜG werden Überlassungszeiten vor dem Inkrafttreten, also dem 1.4.2017, bei der Berechnung der Höchstüberlassungsdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG und der Berechnung der Überlassungszeiten nach § 8 Abs. 4 S. 1 AÜG nicht berücksichtigt.
1. Drehtürklausel
Rz. 440
Die sog. Drehtürklausel ist auf vor dem 15.12.2010 begründete Leiharbeitsverhältnisse weiterhin nicht anzuwenden, wobei der Anwendungsbereich der Übergangsregelung beschränkt ist (dazu nachfolgend Rdn 443).
Rz. 441
Die Übergangsvorschrift in der bis 31.3.2017 geltenden Fassung war durch das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes v. 20.7.2011 eingefügt worden. Mit dem Wortlaut der zuvor geltenden Fassung, die wiederum mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 28.4.2011 (1. AÜG-ÄndG) eingefügt worden war, war der Gesetzgeber erkennbar über das Ziel hinausgeschossen. Wenngleich es nämlich seinerzeit in der Gesetzesbegründung geheißen hatte, dass mit der Übergangsvorschrift geregelt werde, "dass die sogenannte Drehtürklausel auf vor dem 15.12.2010 begründete Leiharbeitsverhältnisse nicht anzuwenden ist", hatte § 19 in der mit dem 1. AÜG-ÄndG implementierten Fassung kurzerhand § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 9 Nr. 2 AÜG einschränkungslos für auf vor dem 15.12.2010 begründete Leiharbeitsverhältnisse unanwendbar erklärt. Damit war seinerzeit beispielsweise auch die Einhaltung der Mindeststundenentgelte nach § 3a Abs. 2 AÜG für unanwendbar auf vor dem 15.12.2010 begründete Leiharbeitsverhältnisse erklärt worden. Mit der durch das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes vom 20.7.2011 erfolgten Gesetzesänderung war dann die Klarstellung erfolgt. Im Umkehrschluss folgte daraus, dass die weiteren mit dem 1. AÜG-ÄndG vorgenommenen Änderungen des AÜG seither auch für vor dem 15.12.2010 begründete Leiharbeitsverhältnisse galten.
Rz. 442
Ab dem 15.12.2010 begründete Leiharbeitsverhältnisse unterfielen und unterfallen mithin der Drehtürklausel. Wenn also Leiharbeitnehmer, deren Leiharbeitsverhältnis ab dem 15.12.2010 begründet wurde oder wird, in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem mit dem Entleiher nach § 18 AktG verbundenen Arbeitgeber ausgeschieden waren, gilt der Equal Pay/Equal Treatment Grundsatz, selbst wenn für das Leiharbeitsverhältnis ein abweichender Tarifvertrag zur Anwendung käme.
Rz. 443
Die die Drehtürklausel betreffenden Regelungen traten nach Art. 2 Abs. 2 1. AÜG-ÄndG am Tag nach der Verkündung am 29.4.2011 in Kraft. Für vor Inkrafttreten der Regelung liegende Zeiten eines Rückverleihs findet die Drehtürklausel also unabhängig vom Datum der Begründung des Leiharbeitsverhältnisses allgemein keine Anwendung. Folglich kommt die Übergangsregelung im damaligen § 19 AÜG, jetzigen § 19 Abs. 1 AÜG, auch nur zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer, dessen Leiharbeitsverhältnis vor dem 15.12.2010 begründet worden ist, zwischen dem 30.10.2010 bis zum 14.12.2010 bei dem Arbeitgeber ausgeschieden war, an den er dann ab dem 30.4.2011 "rückverliehen" wurde.
Rz. 444
Damit wird auch deutlich, weshalb es der Fortgeltung der bisherigen Übergangsregelung im neuen § 19 Abs. 1 AÜG überhaupt bedurfte. Auf diese Weise wird klargestellt, dass für vor dem 15.12.2010 begründete Leiharbeitsverhältnisse die Drehtürklausel dauerhaft nicht gilt. Wäre die fehlende Anwendung nicht fortgeschrieben worden, könnten betroffene Leiharbeitnehmer nunmehr für solche Rückverleihzeiten ggf. Equal Pay/Equal Treatment Ansprüche reklamieren, die bislang lediglich wegen der Unanwendbarkeit der Drehtürklausel ausgeschlossen waren. Die Einrede der Verjährung hätte nicht erhoben werden können, weil bis dato wegen Unanwendbarkeit der Drehtürklausel keine entsprechenden Ansprüche bestanden hätten.
Rz. 445
Dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Bestimmungen zur Drehtürklausel nach Art. 2 Abs. 2 1. AÜG-ÄndG das vorzeitige Inkrafttreten angeordnet hatte, belegt, wie sehr ihm entsprechende Konstrukte "ein Dorn im Auge" waren. Mit dem 15.12.2010 ...