1. Vergemeinschaftung von Mängelrechten und diesbezügliche Handlungspflichten der Gemeinschaft und des Verwalters
Rz. 62
Mitunter sind sich die Eigentümer und der Verwalter unsicher, ob die Ausübung von Mängelrechten zu einer Angelegenheit der Gemeinschaft gemacht werden soll. Diese Frage ist eindeutig zu bejahen. Die gemeinschaftliche Rechtsverfolgung hat, jedenfalls wenn die Gemeinschaft sinnvolle Beschlüsse fasst (Muster → § 5 Rdn 78), nur Vorteile und entspricht deshalb ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Bündelung der Einzelinteressen vermeidet widersprüchliches Vorgehen und ist letztlich kostengünstiger als mehrere separate Maßnahmen einzelner Miteigentümer. Für den Einzelnen ist zudem bei einem gemeinschaftlichen Vorgehen die individuelle Kostenbelastung viel geringer, als wenn er allein auf eigene Rechnung gegen den Bauträger vorginge. Außerdem müssen die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Arbeiten am Gemeinschaftseigentum von der hierfür zuständigen Gemeinschaft entweder überwacht werden (wenn der Bauträger nachbessert) oder beauftragt werden (wenn der Bauträger nicht nachbessert), so dass eine Befassung der Gemeinschaft mit den Baumängeln letztlich ohnehin fast unausweichlich ist. Im Normalfall sind die Miteigentümer deshalb dazu verpflichtet, beim Auftreten von Baumängeln die Rechtsverfolgung gegenüber dem Bauträger zu vergemeinschaften und über rechtliche Schritte zu beschließen; davon darf nur abgesehen werden, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Das Thema "Baumängel" muss daher auf alle Fälle zur Beschlussfassung auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung gesetzt werden. Wenn die Gemeinschaft Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum verfolgt, kann sie auf Wunsch einzelner Wohnungseigentümer und mit deren Zustimmung auch gleich noch die Geltendmachung von deren Rechten wegen Mängeln des Sondereigentums mit übernehmen, was manchmal sinnvoll ist, damit nicht einzelne Wohnungseigentümer parallel zur Gemeinschaft noch einen eigenen Prozess führen müssen. Ein entsprechender Beschluss beinhaltet keine (nach aktuellem Recht ohnehin nicht mehr mögliche) Vergemeinschaftung individueller Ansprüche gem. § 10 Abs. 6 S. 3 S. 2 WEG a.F., sondern begründet eine "normale" gewillkürte Prozessstandschaft.
Rz. 63
Weil, wie vorstehend erwähnt, die gemeinschaftliche Rechtsverfolgung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, stellt sich die Frage, wie sich dazu die Pflicht der Gemeinschaft zur Mangelbeseitigung verhält. Denn die Beseitigung von Baumängeln gehört zur mangelfreien Erstherstellung (Fertigstellung) des Gemeinschaftseigentums und somit zu den Maßnahmen der "ordnungsmäßigen Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums" i.S.v. § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG, weshalb gem. § 18 Abs. 2 WEG im Grundsatz jeder Wohnungseigentümer eine entsprechende Beschlussfassung verlangen kann (→ § 6 Rdn 45). Verzögert die Gemeinschaft erforderliche Instandsetzungsarbeiten, kann der Geschädigte Schadensersatz verlangen (→ § 12 Rdn 13). Hat ein Wohnungseigentümer deshalb die Wahl, ob er eine Mangelbeseitigung vom Bauträger oder von der Gemeinschaft verlangt? Ist die Gemeinschaft überhaupt zur Mangelbeseitigung verpflichtet, solange sie den Bauträger in Anspruch nehmen kann? Oder kann die Gemeinschaft einen Eigentümer darauf verweisen, dass er selbst beim Bauträger seine Rechte durchsetzt?
Rz. 64
Beispiel (wie bei → § 6 Rdn 46)
In der UG-Wohnung von Miteigentümer A bildet sich infolge der Unzulänglichkeit der Außenwandabdichtung (Baumangel) ständig Feuchtigkeit und Schimmel. A verlangt, dass die Gemeinschaft den Mangel beseitigen lässt. Die anderen Miteigentümer verweigern die Beschlussfassung aus zwei Gründen: Zum einen sind sie von der Feuchtigkeit selbst nicht betroffen. Zum anderen hat A einen so großen Einbehalt von der Bauträgervergütung vorgenommen, dass er die Mangelbeseitigung selbst finanzieren und anschließend mit seinem Aufwendungsersatzanspruch gegen den Restvergütungsanspruch des Bauträgers aufrechnen könnte.
Rz. 65
Im Beispielsfall ist die Gemeinschaft zum Tätigwerden verpflichtet. Dass die anderen Miteigentümer von dem Mangel des Gemeinschaftseigentums nicht unmittelbar betroffen sind, ist unbeachtlich. Ebenso unerheblich ist es, dass A die Mangelbeseitigung auch vom Bauträger verlangen kann. Die Gemeinschaft kann den A auch nicht darauf verweisen, unter Verwendung seines Einbehalts die Mangelbeseitigung selbst zu beauftragen. Sogar wenn A wegen des Mangels eine Minderung vom Bauträger erhalten hätte, hätte dieser Umstand keinen Einfluss auf seine Ansprüche gegen die Gemeinschaft. Im Ausgangspunkt steht der Anspruch des A auf Mangelbeseitigung somit außer Frage. Das kann aber nicht ohne Modifizierung gelten, wenn der Bauträger in die Pflicht genommen werden kann und die Gemeinschaft seine Inanspruchnahme beabsichtigt. Nachdem der BGH entschieden hat, dass bei Baumängeln die gemeinschaftliche Rechtsverfolgung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht und davon nur ausnahmsweise abgesehen werden darf (→ § 5 Rdn 62), wäre es wenig sinnvoll, wenn die Gemeinschaft gleichzeitig zur Mangelbeseitigung auf...