Rz. 239
Gem. § 2312 Abs. 3 BGB muss der Übernehmer dem Kreis der nach § 2303 BGB pflichtteilsberechtigten Personen angehören. Ausreichend ist insoweit eine "abstrakte" Pflichtteilsberechtigung.[597] Ob dem Übernehmer nach § 2309 BGB im konkreten Fall tatsächlich ein Pflichtteilsrecht zusteht, ist nicht entscheidend.[598] Allerdings muss der Übernehmer des Landguts Gesamtrechtsnachfolger, also Erbe, sein; ein Übergang des Landguts kraft Vermächtniserfüllung führt nicht in den Anwendungsbereich von § 2312 BGB.[599] Ist das Landgut Gegenstand eines Vorausvermächtnisses, ist dies für die Anwendung von § 2312 BGB natürlich unschädlich.[600]
Rz. 240
Sowohl nach seinem Wortlaut ("einer von mehreren Erben") als auch nach seinem Zweck (wegen Gefährdung der Erhaltung der Wirtschaftseinheit durch Teilungsversteigerung) ist § 2312 BGB aber nicht anwendbar, wenn
▪ | mehrere Pflichtteilsberechtigte das Landgut zu Bruchteilseigentum im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten;[601] |
▪ | ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling mit seinem Ehegatten in Bruchteilseigentum erwirbt.[602] Eine spätere Weiterübertragung eines Miteigentumsanteils an einen Ehegatten nach dem Erbfall soll jedoch nicht schaden,[603] was im Hinblick auf das Stichtagsprinzip (§ 2311 Abs. 1 BGB) und die Entscheidung BGH NJW 1995, 1352 konsequent ist; |
▪ | das Landgut an eine Erbengemeinschaft ohne Einräumung eines Übernahmerechts fällt;[604] |
▪ | nur ein Miteigentumsbruchteil an einem Landgut zugewendet wird.[605] |
Rz. 241
Gehört zum Nachlass dagegen ein gütergemeinschaftlicher Anteil an einem Landgut, ist nach ganz überwiegender Auffassung eine Ertragswertanordnung möglich.[606]
Rz. 242
Praxishinweis
Dies betrifft den in der Praxis immer noch häufigen Fall, dass die in Gütergemein schaft lebenden Ehegatten sich im Wege des auf dem Land "klassischen Ehe- und Erbvertrages" gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge des Erstversterbenden bestimmen sich daher bezüglich des zum Gesamtgut gehörenden Anteils des Erstversterbenden nach dem Ertragswert, wenn eine entsprechende Anordnung getroffen wurde.[607]
Rz. 243
Auch wenn bei einer Übergabe an ein Kind dessen Ehegatte nach § 1416 Abs. 1 S. 2 BGB kraft Gesetzes Miteigentum erwirbt und damit über das eheliche Gesamtgut am Landgut beteiligt ist, dürfte dies der Fall sein.[608]
Rz. 244
Fraglich ist, ob § 2312 BGB auch in Fällen anwendbar ist, in denen ein Landgut lebzeitig übertragen wurde, der Erwerber später aber nicht Erbe wird und deshalb zu Lasten des Erben Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen. Denn soweit der (selbst pflichtteilsberechtigte) Übernehmer nach § 2329 BGB als Beschenkter in Anspruch genommen würde, könnte er sich auf § 2312 BGB berufen und müsste nur für den aus dem Ertragswert berechneten Pflichtteilsergänzungsanspruch einstehen. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Vorschrift erscheint es daher erwägenswert, in solchen Fällen auch dem Erben im Rahmen des § 2325 BGB das Ertragswert-Privileg zuzugestehen.[609] Dies sollte jedenfalls dann gelten, wenn der Ansatz des Verkehrswerts zu Ergänzungsansprüchen führen würde, zu deren Erfüllung der Erbe (im Sinne von § 2329 BGB) nicht verpflichtet wäre.
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