Rz. 55

Anwendungsbereich:

Die Ehefrau schickt den Scheidungsantrag ihres Ehemanns zum Rechtsanwalt und will vertreten werden.

(1) Der Anwalt reicht die Vollmacht mit Mandatsanzeige ein und kündigt Anträge an.
(2) Der Anwalt erklärt die Zustimmung der Mandantin zur Ehescheidung.
(3) Der Anwalt erklärt, dass noch mitgeteilt wird, ob zugestimmt wird oder welche sonstigen Anträge gestellt werden. Die Formalien der Ehescheidung seien jedenfalls richtig angegeben.

Das Mandat endet unmittelbar, nachdem einer dieser Schriftsätze eingereicht wurde.

 

Rz. 56

Die Zustimmung zum Scheidungsbegehren stellt einen Sachantrag dar (Nrn. 3101 Nr. 1, 3100 VV RVG) und löst die volle Verfahrensgebühr aus (vgl. oben Rdn 6).[54] Die Erklärung, keinen Antrag zur Scheidung zu stellen, ist auslegungsbedürftig. Enthält der Schriftsatz Sachvortrag (z.B. Bestätigung der formellen Angaben und der Trennungszeit), genügt das bereits für die volle Verfahrensgebühr. "Sachvortrag" sind alle sachlichen und rechtlichen Ausführungen zur Sache selbst (und nicht nur Ausführungen zur Prozess- und Sachleitung), auch Ausführungen zur Zulässigkeit oder zu Zuständigkeitsfragen.[55] Es genügt die Bezugnahme auf einen früher (z.B. im Verfahren auf VKH oder von der damals noch nicht anwaltlich vertretenen Partei selbst) gestellten Antrag.[56] Enthält er das nicht, kommt es darauf an, ob die Erklärung so ausgelegt werden kann, dass sie eine – wenn auch widerwillige – Zustimmung zur Scheidung ausdrückt. Nur dann löst sie die volle Verfahrensgebühr aus.[57] Die verbreitete Erklärung, es möge "nach Sachlage entschieden werden", stellt i.d.R. gleichfalls eine, wenn auch etwas verkappte, Zustimmung dar und löst dann die volle Verfahrensgebühr aus. Der Sachlageantrag sollte mit der Erklärung verbunden werden, dass die Partei weiß, dass die gesetzlichen Scheidungsvoraussetzungen vorliegen, sie aber dennoch eine Scheidung nicht will und deshalb nicht zustimmt.[58] Die Antragsrücknahme i.S.v. Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG steht der Klagerücknahme gleich. Die Versöhnungsanzeige beider Ehegatten wird als Rücknahme ausgelegt.[59] Der Antrag, das Verfahren zwecks Versöhnungsversuch auszusetzen (§ 136 FamFG) ist von der Verfahrensgebühr abgegolten, wenn er nur schriftsätzlich gestellt wird. Wenn der Antrag in mündlicher Verhandlung gestellt wird, fällt die Terminsgebühr zu 1,2 an.

 

Rz. 57

Zum Rechtsmittelverzicht:

Die Verfahrensgebühr gilt auch den Rechtsmittelverzicht ab, wenn er vom Prozessbevollmächtigten abgegeben wird.

War der Anwalt nicht Prozessbevollmächtigter kommt entweder die Vergütung nach Nr. 3403 VV RVG (Verfahrensgebühr 0,8 für Einzeltätigkeiten) oder die Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG (ebenfalls 0,8) in Betracht.[60]

Kein Anwalt sollte bereit sein, sich auf dem Gerichtsgang zur Abgabe eines Rechtsmittelverzichts in einer völlig fremden Sache beauftragen zu lassen!

 

Rz. 58

Die "Anhörung" der Ehegatten im Scheidungstermin zu den Belangen gemeinsamer Kinder gem. § 128 Abs. 2 FamFG ist Teil der Anhörung in der Ehescheidung, also ohne eigenen Verfahrenswert; für die Verfahrensgebühr gilt Nr. 3100 VV RVG, für die Terminsgebühr Vorb. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG (Anhörungstermin!), soweit diese Gebühren nicht ohnehin schon angefallen sind.[61]

[54] Unstreitig, vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3101 Rn 25 m.w.N.
[55] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3101 Rn 25 m.w.N.; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, VV 3101 Rn 50 ff.
[56] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3101 Rn 28; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, VV 3101 Rn 50 ff.
[57] Vgl. OLG München AnwBl 1980, 259; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3101 Rn 30 (kein Antrag, wenn nicht als Zustimmung auszulegen).
[58] Diese Überlegungen sind nur von Bedeutung, wenn es nicht (mehr) zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins kommt, der – Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG – die volle Verfahrensgebühr ohnehin auslöst, auch wenn kein Sachantrag oder Sachvortrag erfolgt ist.
[59] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3101 Rn 48.
[60] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3403 Rn 24 bis 28.
[61] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 16 RVG Rn 65.

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