Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 209
Schlüssigkeit setzt voraus, dass zu allen Bestandteilen der einschlägigen Vorschrift (Tatbestandsmerkmalen) vollständig vorgetragen wird. Im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung müssten diese Tatsachen – als wahr unterstellt – die mit der Klage verfolgte Rechtsfolge (regelmäßig den Anspruch entsprechend dem Klageantrag) tragen. Der BGH formuliert die Anforderungen folgendermaßen:
Zitat
"Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast bei einem Beweisantritt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des Tatsachenvortrags der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Wenn das Parteivorbringen diesen Anforderungen genügt, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Vielmehr muss der Tatrichter dann in die Beweisaufnahme eintreten, um dort ggf. weitere Einzelheiten zu ermitteln."
Rz. 210
Als Voraussetzung für den Erlass eines Versäumnisurteils gegen die beklagte Partei ergibt sich dies aus § 331 Abs. 1 Hs. 2 ZPO.
Der Kläger muss mithin Folgendes vortragen/behaupten:
Beispiel (Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises, § 433 Abs. 2 BGB)
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Abschluss des Vertrages: Wann, wo und mit welchen Erklärungen im Einzelnen wurde er geschlossen? |
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Leistung und Gegenleistung: Worauf haben sich die Parteien genau geeinigt? Wie hoch ist insbesondere der Kaufpreis? |
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Vertragsparteien: Wer sollte Vertragspartei werden (eine, zwei oder mehrere Personen, eine Privatperson oder eine Firma)? |
Rz. 211
Schlüssiges Vorbringen reicht nur bei einseitigem Vorbringen (wenn sich der Beklagte nicht verteidigt oder er nicht wirksam vertreten wird) oder unstreitigem Vorbringen. Ansonsten richten sich die Substantiierungsanforderungen im Einzelfall nach der Verteidigung des Beklagten: Ist z.B. der Abschluss eines Vertrages außer Streit, muss dazu nicht näher vorgetragen werden. Wird der Abschluss indes bestritten, muss zum Zustandekommen im Einzelnen (und unter Beweisantritt) vorgetragen werden. Dieser Sachvortrag muss substantiiert sein. Es muss mit "Kern und Gehalt" dargestellt werden, dass alle Tatbestandsmerkmale gegeben sind.
Teilweise verlangt der BGH, dass der Sachvortrag dem Prozessgegner eine sachliche Stellungnahme ermöglichen soll, so, wenn dessen Gegenvortrag dazu Anlass bietet, zu "Modalitäten" der Verhandlungen im Einzelnen und auch mit "sonstigen Zergliederungen" in der Sachdarstellung in Einzelheiten vorzutragen. Diese etwas irreführende Nebenlinie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung führt dazu, dass immer wieder schlüssigkeitsfremde "Modalitäten" seitens der Instanzgerichte gefordert werden, wie etwa Angaben zum "wann", "wo" und "wie" des Geschehens, sodass ohne diese eine Beweisaufnahme nicht stattfinden könne. Dies entspricht allerdings nicht der Vollständigkeitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO, wonach lediglich in entstellender Weise verkürzte Erklärungen verboten sind.
a) Anforderungen
Rz. 212
Die Anforderungen sind streng, z.B. sind bei einer Gesamtforderung, die aus mehreren Einzelforderungen besteht, die jeweiligen Zahlen so zusammenzustellen, dass das Gericht die behauptete Forderung rechtlich und rechnerisch prüfen kann. Rechtsbegriffe, wie z.B. "Werkvertrag", "Eigentum", "Stellvertretung" usw. sind im Zweifel tatsächlich auszufüllen. Je mehr der Beklagte in der Klageerwiderung vorträgt, desto weiter ist die Pflicht für den Kläger, den Sachverhalt noch zu konkretisieren. Dabei ist auch maßgebend, ob und inwieweit sich die Ereignisse im Wahrnehmungsbereich der Partei abgespielt haben: Steht die Partei außerhalb des Geschehensablaufs und kennt sie die Tatsachen nicht näher, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind, dann ist die weitere Substantiierungslast begrenzt.
Rz. 213
Gerade in umfangreichen Prozessen muss sorgfältig vorgetragen werden. Der Rechtsanwalt muss seinen Mandanten daher exakt und zu jedem relevanten Detail befragen.
Rz. 214
Ist es zu konkreten Punkten des Sachvortrags zweifelhaft, ob schon genug vorgetragen worden ist, kann um einen rechtlichen/richterlichen Hinweis gebeten werden.
Indes k...