Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 41
Eine Gütestelle ist eine staatlich anerkannte Stelle mit Befugnis zur außergerichtlichen einvernehmlichen Beilegung von Streitigkeiten. Im Unterschied zum Schiedsgericht darf die Gütestelle kein Urteil und keinen Beschluss fällen. Aufgabe der Gütestelle ist (nur) die Vermittlung zwischen den Parteien bei einem bereits bestehenden Streit mit dem Ziel einer Einigung. Der Mittler moderiert und unterstützt die Parteien darin, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Rz. 42
Ein Vorteil ist, dass der Streitschlichter von vornherein feststeht (oder aus einer bestimmten Liste ausgewählt werden kann). Damit kann eine Gütestelle gefunden werden, der beide Seiten vertrauen. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass ein schnelles – die zulässige Dauer eines Schlichtungsverfahrens ist auf drei Monate begrenzt, § 15a Abs. 1 S. 3 EGZPO – und kostengünstiges Ergebnis erzielt werden kann. Die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens gibt den Parteien die Möglichkeit, die streitigen Punkte offen miteinander zu besprechen.
a) Qualifikation der Gütestelle
Rz. 43
Als Gütestelle können – auf deren Antrag – Personen anerkannt werden, welche Streitschlichtung als dauerhafte Aufgabe betreiben und welche die Gewähr für eine objektive und qualifizierte Schlichtung bieten. Das sind insbesondere Rechtsanwälte, welche die Qualifikation zum Mediator haben; es kommen aber auch Sachverständige in Betracht.
Rz. 44
Eine Gütestelle muss neutral, unabhängig und unparteilich geführt werden. Dies schließt aus, dass der Rechtsanwalt eine der Parteien vertritt oder berät, soweit es um den Gegenstand des Verfahrens geht. Das gilt auch für Tätigkeiten nach dem Abschluss des Verfahrens. Die vorherige Beratung nur einer Partei mit dem Ziel, ein Güteverfahren aufzunehmen, ist aber zulässig. Dies ist vor Beginn des Güteverfahrens der anderen Partei offenzulegen.
Rz. 45
Die Gütestelle muss sich selbst eine Verfahrensordnung geben, d.h. sie ist bei jeder Gütestelle anders. Sie muss sich nach dem jeweiligen Schlichtungsgesetz richten, d.h.: Die Verfahrensordnung hat die Einleitung sowie die Durchführung und Beendigung des Güteverfahrens zu regeln. Es besteht die Verpflichtung zur Verschwiegenheit. Eine Ausnahme gilt bei der Entbindung durch beide Parteien von der Schweigepflicht. Auch die Honorarfrage muss durch die Verfahrensordnung geregelt sein, wodurch die Kosten divergieren können. Oftmals werden Kostenpauschalen erhoben, eventuell ein gestaffeltes Stundenhonorar für die Güteverhandlung, abhängig vom Gegenstandswert.
b) Verfahren vor der Gütestelle
Rz. 46
Das Verfahren soll zu einer zügigen Einigung in einem mündlichen Termin führen.
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Das Verfahren wird auf schriftlichen Antrag einer oder beider Parteien an die Gütestelle eingeleitet. |
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Die Parteien erhalten die Verfahrensordnung mit der Bitte um Zustimmung. |
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Danach legt die Gütestelle unverzüglich mit den Parteien Ort und Zeitpunkt der Güteverhandlung fest. |
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Weil Vertraulichkeit gegeben ist, werden die Parteien verpflichtet, den Mittler in einem etwaigen späteren Prozess nicht als Zeugen zu benennen. |
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Eine Beweiserhebung ist grundsätzlich nicht vorgesehen. |
Rz. 47
Das Güteverfahren ist regelmäßig beendet, wenn:
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die Parteien dies vereinbaren oder |
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sich einigen, |
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eine Partei den Termin versäumt und nicht hinreichend entschuldigt ist, |
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eine Partei trotz Mahnung den geforderten Kostenvorschuss nicht zahlt, |
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eine Partei dem Güteverfahren nicht innerhalb der gesetzten Frist zustimmt, |
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eine Partei das Verfahren für gescheitert erklärt oder |
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die Gütestelle das Verfahren wegen fehlender Aussicht auf Einigung für beendet erklärt. |
c) Vollstreckbarkeit
Rz. 48
Aus der protokollierten Vereinbarung findet die Zwangsvollstreckung statt, §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 797a ZPO. Vergleiche vor anerkannten Gütestellen werden vom Urkundsbeamten des Amtsgerichts, in dem die Gütestelle ihren Sitz hat, auf Antrag mit einer Vollstreckungsklausel versehen.