Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 285
Bevor ein Beweismittel bezeichnet wird, sollte geklärt werden, ob der Mandant für die entsprechende Behauptung überhaupt beweispflichtig ist. Als Grundregel gilt: Beweispflichtig ist der Klient im Zweifel dann, wenn die betreffende Tatsache für ihn günstig ist. Die Beweislast folgt auch oft durch gesetzliche Regelungen, wie z.B. §§ 345, 363, 2336 Abs. 3 BGB, 371 Abs. 3, 427, 444 ZPO, oder mittels richterrechtlicher Fortbildung. In Betracht könnte auch eine Beweislastumkehr kommen, z.B. §§ 179 Abs. 1, 477 BGB.
a) Umkehr der Beweislast
Rz. 286
Die Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Beweispflicht desjenigen besteht, welcher sich auf eine ihm günstige Tatsache stützen will, kommt nur in wirklichen Ausnahmefällen in Frage. Regelmäßig muss eine der nachfolgenden Fallgruppen erfüllt sein:
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Beim vertraglichen Schadensersatzanspruch muss nicht der Gläubiger, sondern der Schuldner beweisen, dass er nicht fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. |
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Schadensersatzansprüche, welche auf die Verletzung vertraglicher Beratungs- oder Aufklärungspflichten gestützt werden, geben dem Schuldner die Beweislast dafür auf, dass der entstandene Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. |
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Für den Fehler eines Produkts, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden trägt der Geschädigte die Beweislast, § 1 ProdhaftG. |
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Bei Arzthaftungsansprüchen gilt: Ist dem Arzt nachweislich ein grober Behandlungsfehler unterlaufen, muss er beweisen, dass der beim Patienten entstandene Schaden auch ohne seinen Fehler eingetreten wäre, § 630h Abs. 5 BGB. Beruht der Schaden auf dem Einsatz eines mangelhaft arbeitenden Gerätes, muss der Arzt beweisen, dass er und seine Mitarbeiter daran nicht schuld sind. Trifft den Arzt ein Organisationsmangel, muss er beweisen, dass dieser für die Schädigung nicht ursächlich war. Dokumentationsmängel führen dazu, dass eine ärztliche Beweispflicht für entsprechende, von Arzt behauptete Tatsachen besteht. |
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Auch bei anderen Berufsgruppen kann die Beweislast für die Behauptung umgekehrt werden, dass die Pflichtverletzung nicht zu einem Schaden geführt hat. |
b) Beweispflicht des Mandanten
Rz. 287
Ist der Mandant beweispflichtig und bestreitet die Gegenseite die Tatsachenbehauptung, ist Beweis anzubieten. Für jede beweiserhebliche – und nicht offenkundige – Behauptung ist das am besten geeignete und verfügbare Beweismittel zu benennen. Gelingt bei Gericht dieser "Hauptbeweis", wird die Klage Erfolg haben.
Im Falle der Nichtbeweisbarkeit einer günstigen Behauptung geht der Rechtsstreit (insoweit) verloren. Gleiches gilt, wenn zu erwarten ist, dass die andere Partei (zumindest) die Überzeugung des Gerichts von dem Beweis erschüttern wird.
c) Beweispflicht der anderen Partei
Rz. 288
Soweit der Mandant nicht beweispflichtig ist, die andere Partei aber Beweis für eine streitige Behauptung anbietet, sollte auf jeden Fall – sofern möglich – ein Gegenbeweis bezeichnet werden, um die Beweismittel des Prozessgegners entkräften zu können.