Rz. 292

Der Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) ist ungeachtet seiner fehlenden dogmatischen Ableitung gewohnheitsrechtlich anerkannt und aus der gerichtlichen Praxis nicht mehr wegzudenken. Es wird auf Erfahrungssätze zurückgegriffen, insbesondere bei typischen Geschehensabläufen.

 

Rz. 293

 

Beispiel:

Bei einem Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht spricht der erste Anschein dafür, dass etwaige Schäden darauf zurückzuführen sind.

 

Rz. 294

Nach der Rechtsprechung erlaubt der Anscheinsbeweis bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlage, sondern aufgrund von Erfahrungssätzen. Die Tatsachen, aus denen nach einem solchen Erfahrungssatz auf eine typischerweise eintretende Folge oder (umgekehrt) eine bestimmte Ursache geschlossen werden kann, müssen entweder unstreitig oder mit Vollbeweis bewiesen sein.[134] Dem Gegner obliegt es dann, den Anschein (z.B. Unachtsamkeit oder zu geringer Abstand bei einem Auffahrunfall) durch den Gegenbeweis zu erschüttern, d.h. der Gegner muss die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs darlegen und diese Tatsachen beweisen.

[134] BGH, Urt. v. 29.6.1982 – VI ZR 206/80, juris = NJW 1982, 2447–2449.

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