Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 173
Mit einer Klage können auch Kosten der bisherigen außergerichtlichen Rechtsverfolgung – speziell Inkassokosten – geltend gemacht werden. Diese sind nämlich regelmäßig ebenfalls Verzugsschäden: Hätte der Schuldner rechtzeitig geleistet, wären die Rechtsverfolgungskosten, explizit Kosten eines Inkassobüros oder Rechtsanwaltsgebühren, nicht entstanden.
Gläubiger müssen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Schadensminimierung auch nicht – quasi vorausschauend – anstatt einem Inkassounternehmen eine Rechtsanwaltskanzlei einschalten, wenn der Schuldner nicht leistet, die Forderung aber auch nicht bestreitet. Gläubiger können laut BGH nämlich nicht vorhersehen, ob es zu einem Prozess kommen wird oder nicht. Hinsichtlich einer Schadensminimierung ist es daher bei offenen Forderungen nicht erforderlich, von vornherein einen Anwalt zu beauftragen.
Wichtig ist in Bezug auf den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren, dass der Gläubiger erst nach dem Eintritt des Verzugs (z.B. nachdem der Schuldner die Mahnung erhalten hat und eine gesetzte Frist abgelaufen ist) die Rechtsanwaltskanzlei beauftragt hat und zwar zunächst nur zu einer außergerichtlichen Tätigkeit (also noch keinen Klageauftrag erteilt hat), die auch Aussicht auf den Inkasso-Erfolg hatte (ansonsten wäre sogleich der Klageweg zu beschreiten). Selbst wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung bereits fällig ist (vgl. die Auflistung oben), sind die Kosten einer Erstmahnung ansonsten nicht erstattungsfähig.
Rz. 174
Praxistipp
Im Rahmen einer Mandatsanbahnung, wenn z.B. der Rechtsanwalt zunächst über ein etwaiges Mandat telefoniert, kann er seinen künftigen Klienten danach befragen, ob dieser bereits eine Mahnung verfasst und dem Schuldner beweisbar – z.B. per Boten – übergeben hat. Sollte dies nicht der Fall sein, kann darauf hingewiesen werden, dass eine solche Vorgehensweise erforderlich ist, um die Rechtsanwaltsgebühren als erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten geltend machen zu können.
Nach § 13f RDG ist der Schuldner bei einem Doppelauftrag an einen Inkassodienstleister und eine Anwaltskanzlei aber grundsätzlich nur einmal kostenpflichtig. Beauftragt der Gläubiger einer Forderung mit deren Einziehung sowohl einen Inkassodienstleister als auch einen Rechtsanwalt, so kann er die ihm dadurch entstehenden Kosten nur bis zu der Höhe als Schaden ersetzt verlangen, wie sie entstanden wären, wenn er nur einen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Dies gilt für alle außergerichtlichen und gerichtlichen Aufträge. Allerdings gilt dies nicht, wenn der Schuldner die Forderung erst nach der Beauftragung eines Inkassodienstleisters bestritten hat und das Bestreiten Anlass für die Beauftragung eines Rechtsanwalts gegeben hat. Entscheidend ist also der Zeitpunkt. Wenn der Schuldner zu spät reagiert, wird es für ihn teurer. Er trägt dann die Kosten des Inkassobüros und die anwaltlichen Gebühren. Dies hat der BGH noch einmal ausdrücklich bestätigt:
Zitat
"Beauftragt ein Gläubiger einen Inkassodienstleister mit der Einziehung einer – zunächst – unbestrittenen Forderung nach Verzugseintritt des Schuldners, sind dessen Kosten grundsätzlich auch dann in voller Höhe erstattungsfähig, wenn der Gläubiger aufgrund eines später erfolgten (erstmaligen) Bestreitens der Forderung zu deren weiteren – gerichtlichen – Durchsetzung einen Rechtsanwalt einschaltet."
Rz. 175
Durch eine Titulierung der vorgerichtlichen Kosten wird erreicht, dass nach der Verurteilung des beklagten Schuldners auch diese Kosten ggf. zwangsweise beigetrieben werden können.
Rz. 176
Neben einem Erstattungsanspruch aus Verzug sind in der Praxis die Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltskosten
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bei einem Verkehrsunfall, |
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aus deliktischer Haftung oder |
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im Zusammenhang mit einer Mängelhaftung |
wichtige weitere Anwendungsfälle.
Eine Schadensersatzpflicht nach § 249 BGB erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadenersatzanspruchs verursachten Kosten der Rechtsverfolgung. Diese fallen auch bei einem Schadenersatzanspruch aus § 823 BGB und/oder § 7 StVG in den Schutzbereich der verletzten Norm. Die Ersatzpflicht setzt voraus, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist und die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war.
Rz. 177
Hingegen kann der vermeintliche Schuldner, der unberechtigt in Anspruch genommen worden ist und dem außergerichtlich Rechtsverfolgungskosten/Anwaltsgebühren entstanden sind, regelmäßig keine Erstattung vom scheinbaren Gläubiger verlangen. Bestehen keine vertraglichen und auch keine vorvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien und ist die unberechtigte Inanspruchnahme auch keine deliktische Handlung oder ausnahmsweise über §§ 677 ff. BGB gerechtfertigt, können die Gebühren dem Forderungssteller nicht aufgelastet werden. Die Rechtsprechung begründet dies damit, dass eine unberechtigte Inanspruchnahme zum allgemeinen Lebensrisiko gehört.
Rz. 178
Nur ausnahmsweise gilt in f...