Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 388
Die Auswahl der richtigen Verfahrensart im einstweiligen Rechtsschutz (Arrest oder einstweilige Verfügung) ist wichtig, weil ein unzutreffend gewählter Antrag unzulässig ist und das Gericht ihn nur ausnahmsweise bei einer einstweiligen Verfügung im Rahmen des § 938 ZPO umdeuten kann. Für das Verfahren gelten, wie für jeden anderen Rechtsstreit auch, die allgemeinen Prozessvoraussetzungen; d.h., dass insbesondere das Rechtsschutzbedürfnis oder das Regelungsbedürfnis vorliegen muss. Beim Arrest oder bei der Sicherungsverfügung fehlt es, wenn der Gläubiger schon andere dingliche Sicherheiten hat, die ihn wirtschaftlich gleichartig schützen. Bei der Regelungsverfügung kann ein zu langes Abwarten die Dringlichkeit entfallen lassen.
Rz. 389
Der Antrag im einstweiligen Verfahren ist nur zulässig, wenn der Antragsteller einen zu sichernden Anspruch und einen Grund der Gefährdung hierfür behauptet. Diese muss er zur Begründung seines Antrags glaubhaft machen. Im Einzelnen ist für das Verfahren Anschließendes zu berücksichtigen.
1. Auswahl des zuständigen Gerichts
Rz. 390
Zuständig ist dasjenige Gericht, welches auch in der Hauptsache, also bei einer Klage zuständig wäre. Beim Arrest ist auch das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich der mit dem Arrest zu belegende Gegenstand oder sich die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person befindet (§ 919 ZPO). Dasselbe gilt bei der einstweiligen Verfügung, soweit Gegenstände betroffen sind (§ 937 ZPO).
2. Antragstellung
Rz. 391
Bei dem zu stellenden Arrestgesuch (§ 920 ZPO) ist zu beachten:
▪ |
Der Arrestantrag ist auf die Anordnung des dinglichen Arrests über das Vermögen des Schuldners oder des persönlichen Arrests gegen den Schuldner zu richten. |
▪ |
Genau zu bezeichnen ist die Forderung des Antragstellers, ferner, in welcher Höhe und mit welchen Zinsen der Arrestbefehl ergehen soll. |
▪ |
Die Verfahrenskosten kann der Antragsteller – auch pauschal – geltend machen. Die Verfahrenskosten berechnen sich folgendermaßen: Die Höhe der Gerichtskosten lässt sich aus der Anlage 1 zum GKG entnehmen. Die Tabelle dort enthält Wertgrenzen mit jeweiligen Euro-Beträgen. Für den Arrest wird eine 1,5 Gebühr fällig, wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet, Nr. 1410 der Anlage 1 zum GKG. |
Rz. 392
Kennt der Antragsteller die Vermögenswerte des Schuldners, kann er zusammen mit dem Arrestbefehl einen Pfändungsbeschluss beantragen.
Rz. 393
Der Schuldner kann durch das Hinterlegen des Betrages die Arrestvollziehung hemmen oder aufheben lassen. Das Gericht nimmt auch von Amts wegen die "Ablösesumme" in den Arrestbefehl auf.
Rz. 394
Für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gilt:
Der Antrag richtet sich nach dem Rechtsschutzziel, also danach, ob der Gläubiger etwa
▪ |
eine Handlung oder Unterlassung (insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes) untersagen will, |
▪ |
die Abgabe einer Willenserklärung vorläufig sichern oder regeln will oder |
▪ |
eine Sequestration (Zwangsverwaltung) erreichen will. |
3. Glaubhaftmachung
Rz. 395
Der Anspruch und der Grund sind gemäß §§ 920 Abs. 2, 936 ZPO in der Antragsschrift darzustellen und zusätzlich glaubhaft zu machen. Eine Ausnahme besteht, wenn der Antragsteller wegen der dem Gegner drohenden Nachteile Sicherheit geleistet hat. Abweichungen von der Glaubhaftmachung bestehen nach bestimmten Sondervorschriften (u.a.: in Bezug auf eine Vormerkung im Grundbuch, bei Verstößen gegen das UWG oder das UrhG).
Rz. 396
Zur Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO dienen:
▪ |
die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers oder von Zeugen, diese beginnen mit der Einleitung: "Die strafrechtlichen Folgen einer falschen Versicherung an Eides statt sind mir bekannt. Ich erkläre Folgendes an Eides statt: […].", |
▪ |
schriftliche Erklärungen von Zeugen, § 377 Abs. 3 ZPO, |
▪ |
präsente Urkunden, auch unbeglaubigte Kopien oder Abschriften von Urkunden, |
▪ |
gescannte öffentliche Urkunden nach § 371b ZPO, |
▪ |
präsente elektronische Dokumente nach § 371a ZPO, |
▪ |
Privatgutachten, |
▪ |
Bezugnahme auf dem Gericht sofort verfügbare Akten, |
▪ |
die sofort mögliche Inaugenscheinnahme, z.B. in Fotos. |
Rz. 397
Die eidesstattliche Versicherung bedarf grundsätzlich keiner besonderen prozessualen Form. Sie kann – sofern gesetzlich nicht anders bestimmt, z.B. § 802c Abs. 3 S. 2 ZPO – auch mündlich oder schriftlich erklärt werden.
Auch mit der Geltung des zum 1.1.2022 in Kraft getretenen § 130d ZPO bleibt es möglich, eidesstattliche Versicherungen schriftlich einzureichen, weil es sich um Mittel zur Glaubhaftmachung handelt, für die § 130a ZPO nicht gilt. Mit einer Einreichung per Post tritt jedoch eine Zeitverzögerung und ein Medienbruch ein.
Es kann einen praktikablen Weg darstellen, dass der Rechtsanwalt seinem Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine digitale Kopie der eidesstattlichen Versicherung anhängt und versichert, dass ihm die eidesstattliche Versicherung schriftlich vorliegt – zusammen mit der Ankündigung, diese bei Bedarf sofort vorzulegen ("Glaubhaftmachungskette"). Die...