Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 231
Teilweise schildern die Prozessparteien den Sachverhalt übereinstimmend. Dass überhaupt prozessiert wird, liegt dann vielleicht lediglich an der Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der beklagten Partei oder an unterschiedlichen Rechtsauffassungen. In den meisten Fällen ist aber die Schilderung der Geschehnisse unterschiedlich.
Rz. 232
Für jede beweiserhebliche und nicht offenkundige Behauptung ist das präsente und am besten geeignete Beweismittel zu benennen, wenn der Mandant beweispflichtig ist. Gelingt dieser "Hauptbeweis", wird die Klage Erfolg haben. Ist zu erwarten, dass die andere Partei (zumindest) die Überzeugung des Gerichts von dem Hauptbeweis erschüttern wird, dürfte von einer Klage abzuraten sein.
Rz. 233
Neben den bekannten Beweismitteln des Sachverständigenbeweises, des Beweises durch Augenschein, der Parteivernehmung, des Urkundenbeweises und des Zeugenbeweises darf auch der Beweis durch amtliche Auskunft und elektronische Dokumente nicht vergessen werden. Als Merkhilfe zur Kontrolle, alle möglichen Beweismittel bedacht zu haben, bietet sich "AZ-PAUSE" an:
A ugenschein
Z eugen
-
P arteivernehmung
A mtliche Auskunft
U rkunden
S achverständige
E lektronische Dokumente
Rz. 234
Einer Partei darf nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellter willkürlicher Behauptungen kann nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Das ist u.a. dann der Fall, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat.
1. Sachverständigengutachten
Rz. 235
Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Beweisführung, etwa als "unfallanalytisches Rekonstruktionsgutachten", zum Nachweis ursächlicher Personenschäden, zur Höhe geltend gemachter einzelner Positionen usw. Beweis ist anzutreten durch Bezeichnen der zu begutachtenden Punkte, § 403 ZPO. Überflüssig ist also, "Sachverständigenbeweis" anzubieten oder einen bestimmten Sachverständigen zu benennen.
a) Einholung von Amts wegen
Rz. 236
Das Gericht kann das Gutachten auch von Amts wegen einholen, §§ 144 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, 287 Abs. 1 S. 2, 442, 358a ZPO. Dies kann für Parteien, die das volle Prozesskostenrisiko tragen, unerwünscht sein, wenn das Gutachten im Verhältnis zum Streitwert unverhältnismäßig teuer werden würde. Fragt das Gericht bei den Parteien nicht an, ob solch ein Gutachten eingeholt werden soll, bleibt dem Kläger, der das nunmehr erhöhte Prozesskostenrisiko scheut, lediglich, den Kostenvorschuss nicht einzuzahlen mit der Konsequenz der Klageabweisung infolge Beweisfälligkeit.
Rz. 237
Ein Gericht darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf das Einholen eines Sachverständigengutachtens nur dann verzichten, wenn es entsprechende eigene besondere Sachkunde ausweisen kann. In diesem Fall muss es den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen. Dies gilt auch, wenn der Tatrichter auf ein Sachverständigengutachten verzichten will, weil er es auf der Grundlage eigener Sachkunde für ungeeignet hält.
b) Auswahl des Gutachters
Rz. 238
Das Prozessgericht wählt den Gutachter aus. Nach § 404 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Parteien zur Person des Sachverständigen hören. Gibt es auf dem betreffenden Sachgebiet öffentlich bestellte Sachverständige, soll das Gericht andere Personen nur bei Vorliegen besonderer Umstände bestimmen, insbesondere wenn sie über hervorragende Sachkunde verfügen.
Rz. 239
Unter den Voraussetzungen des § 404 Abs. 4 ZPO ist das Gericht an eine Einigung der Parteien über einen Sachverständigen gebunden. Eine Einigung sollten die Parteien dem Gericht unverzüglich mitteilen, um einer gerichtlichen Auswahl nach § 404 Abs. 1 ZPO zuvorzukommen. Ist der von den Parteien avisierte Gutachter nicht öffentlich bestellt, sind besondere Gründe nach § 404 Abs. 2 ZPO für seine Auswahl vorzutragen, insbesondere seine hervorragende Sachkunde.
Rz. 240
Der Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne die Hinzuziehung weiterer Sachverständiger sowie innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist erledigt werden kann. Ist das nicht der Fall, so hat der Sachverständige das Gericht unverzüglich zu verständigen; § 407a Abs. 1 ZPO. Dadurch soll verhindert werden, dass der Sachverständige nach Auftragserteilung zunächst einmal untätig bleibt.
Wird das gerichtlich eingeholte Gutachten inhaltlich für falsch gehalten, kann dies gerügt werden. Die Partei hat gemäß §§ 397, 402 ZPO das Recht, den Sachverständigen zu befr...