Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 343
Auch die Absendung eines Schriftsatzes wird nunmehr durch die Nutzungspflicht des beA (§ 130d S. 1 ZPO) bestimmt.
§ 130a ZPO eröffnet die Einreichung elektronischer Dokumente eines Anwalts aus seinem beA, sofern die Voraussetzungen der Absätze 2 bis 4 erfüllt sind. Danach können alle vorbereitenden Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter als elektronisches Dokument beim Gericht eingereicht werden. Entscheidend ist, dass belegt wird, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt, und dass er die Übermittlung als bestimmenden Schriftsatz an das Gericht veranlasst hat.
Die Übersendung als elektronisches Dokument ist eine vom Gericht von Amts wegen zu prüfende Wirksamkeitsvoraussetzung. Daher wäre eine schriftlich, per Fax oder E-Mail eingereichte Klage – vom Sonderfall der technischen Störung nach § 130d S. 2 ZPO abgesehen – als unzulässig abzuweisen.
Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden, § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO.
Rz. 344
Wichtige Hinweise
Die einfache Signatur setzt die persönliche (eigenhändige) Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach durch die den Schriftsatz verantwortende Person voraus. Die Überlassung des eigenen Zertifikats des Rechtsanwalts an einen Kanzleimitarbeiter ist nicht zulässig. Nach § 26 Abs. 1 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPN) darf der Inhaber eines für ihn erzeugten Zertifikats dieses keiner anderen Person überlassen; er hat auch die zugehörige PIN geheim zu halten. Dadurch soll für eine Wirksamkeit sichergestellt werden, dass die einfache Signatur von der den Schriftsatz verantwortenden Person stammt. Eine Überlassung des Zertifikats an eine nicht angemeldete Person würde es einem Unbefugtem ermöglichen, anwaltliche Schriftsätze eigenmächtig zu erstellen oder abzuändern, um sie dann mit einer einfachen Signatur des Rechtsanwalts zu versenden. Erfolgt die Übermittlung eines "einfach" signierten Schriftsatzes durch einen Boten, wird die Authentizität des elektronischen Dokuments nicht gewährleistet. Erfolgt gleichwohl eine Überlassung, wäre die Übertragung nicht wirksam, eine etwaige Frist nicht gewahrt und Wiedereinsetzung nicht zu gewähren.
Qualifiziert signierte elektronische Dokumente können demgegenüber wirksam auch durch Dritte (Kanzleimitarbeiter, Kollegen) versandt werden. Nach § 24 RAVPN können sich andere Personen als der bevollmächtigte Rechtsanwalt, insbesondere Kanzleimitarbeiter, nur mit einem ihnen selbst zugeordneten Zertifikat und der zugehörigen Zertifikats-PIN in einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach anmelden. Die Übermittlung eines qualifiziert signierten Dokuments kann nach § 4 Elektronische-Rechtsverkehrs-Verordnung (ERRV) entweder auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 130a Abs. 4 ZPO oder mittels einer speziellen Sende- und Empfangssoftware (sog. EGVP-Client) an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts erfolgen.
Rz. 345
Der zu übermittelnde Schriftsatz muss mit der qualifizierten Signatur versehen sein; eine qualifizierte Signatur nur auf einer Anlage reicht nicht aus. Eine "Sammelsignatur" für mehrere Dokumente gibt es nicht und ist gemäß § 4 Abs. 2 der ERRV sogar untersagt.
Im Fall einer technischen Störung des elektronischen Rechtsverkehrs kann eine Übermittlung gemäß § 130d S. 2 ZPO auf den allgemein eröffneten Wegen erfolgen, d.h. durch einen mit einer Unterschrift gemäß § 130 Nr. 6 ZPO versehenen Schriftsatz auf dem Postweg und/oder per Telefax, nicht jedoch per einfacher E-Mail. Nach § 130d S. 3 ZPO ist die vorübergehende, d.h. zum Zeitpunkt des Übertragungsversuchs bestehende, Störung gemäß § 294 ZPO glaubhaft zu machen, was eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordert:
Zitat
"Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände voraus, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflicht anwaltlich versichern muss."
Neben der anwaltlichen Versicherung (der konkret mitzuteilenden Umstände) und dokumentierten Störungsmeldungen kommt nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH zur Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit auch die Vorlage eines Screenshots als Augenscheinsobjekt in Betracht,
Rz. 346
Zitat
"(...) wenn sein Inhalt mit den Angaben in der beA-Störungsdokumentation auf der Internetseite der Rechtsanwaltskammer übereinstimmt und in dem Archiv der auf der Störungsseite des Serviceportals des beA-Anwendersu...