Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 357
Die Gebühren des Rechtsanwalts bemessen sich bei einem Prozess nach zwei Faktoren: Zum einen nach dem zugrundeliegenden Gegenstandswert der Klage, zum anderen nach der Anzahl der zu entrichtenden Anwaltsgebühren. Diese ergeben sich nach dem Vergütungsverzeichnis im Einzelnen aus der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG.
1. Gegenstandswert
Rz. 358
Die Klage (ein Antrag) hat, wie eben dargestellt, einen bestimmten Streitwert, nach welchem sich die Gerichtskosten berechnen. Die Rechtsanwaltsgebühren bestimmen sich dann ebenfalls nach dieser Wertgröße (hier dem Gegenstandswert). Die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren ist aus einer weiteren Tabelle (Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG) zu entnehmen, aus der sich ablesen lässt, wie hoch eine einfache Gebühr ist.
Rz. 359
Wichtiger Hinweis
Der Rechtsanwalt hat gemäß § 49b Abs. 5 BRAO vor dem Abschluss des Rechtsanwaltsvertrags darauf hinzuweisen, dass er die Gebühren nach dem Gegenstandswert abrechnen wird. Geschieht dies nicht, steht dem Mandanten möglicherweise ein Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Aufklärung zu.
2. Anzahl der zu entrichtenden Anwaltsgebühren
Rz. 360
Die Anzahl, also der Faktor der Vergütung des Rechtsanwalts bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis, Anlage 1 zum RVG.
Rz. 361
Regelmäßig kann der Anwalt für die Vertretung im Prozess folgende Gebühren erstattet verlangen:
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Die Verfahrensgebühr ist für das Betreiben des gerichtlichen Verfahrens zu entrichten. Das Vergütungsverzeichnis zum RVG kennt in verschiedenen Abschnitten Verfahrensgebühren. Sie bemessen die Gebühr, die der Rechtsanwalt für das Betreiben des jeweiligen gerichtlichen Verfahrens erhält. Und zwar:
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Faktor in 1. Instanz: 1,3 (Nr. 3100 VV RVG); |
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Berufung: 1,6 (Nr. 3200 VV RVG); |
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Beschwerdeverfahren: 0,5 (Nr. 3500 VV RVG). |
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Außerdem entsteht die Terminsgebühr für das Wahrnehmen des Gerichtstermins,
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Faktor in 1. Instanz: 1,2 (Nr. 3104 VV RVG); |
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Berufung: 1,2 (Nr. 3202 VV RVG); |
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Beschwerdeverfahren: 0,5 (Nr. 3513 VV RVG). |
Sie entsteht im gerichtlichen Verfahren für
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die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin, |
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die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder |
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die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. |
Unabhängig von der Wahrnehmung des Termins entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gemäß § 307 ZPO oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Bei der Wahrnehmung nur eines Termins, in dem eine Partei oder ein Beteiligter nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist und lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil, Versäumnisentscheidung oder zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung gestellt wird, ermäßigt sich die Terminsgebühr gemäß Nr. 3105 VV RVG auf 0,5. |
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Falls der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren am Abschluss eines Vergleichs mitgewirkt hat, durch den der Streit beigelegt worden ist, entsteht eine Einigungsgebühr.
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Bei Einigung über erstinstanzlich anhängige Gegenstände (Nr. 1003 VV RVG): Gebührensatz 1,0; |
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bei Einigung über Gegenstände, die im Berufungs- oder Revisionsverfahren anhängig sind (Nr. 1004 VV RVG): Gebührensatz 1,3. |
Der Rechtsanwalt kann darauf einen angemessenen Vorschuss verlangen. |
3. Prozesskostenrisiko
Rz. 362
Von besonderem Interesse dürfte – soweit keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen worden ist – das Kostenrisiko eines Prozesses sein. Für den Kostenanfall der ersten Instanz sind neben den oben dargestellten Gerichtskosten und Gebühren des eigenen Rechtsanwalts für den Fall des Unterliegens auch die Gebühren des gegnerischen Anwalts einzukalkulieren.
Rz. 363
Unterliegt der Mandant in der ersten Instanz und führt er den Rechtsstreit nicht fort, entstehen Anwaltsgebühren (ohne Einigungsgebühren) von 2 x 2.005,15 EUR brutto (Verfahrensgebühr von 865,80 EUR, Terminsgebühr von 799,20 EUR, Auslagen von 20,00 EUR, Mehrwertsteuer von 320,15 EUR) zuzüglich der Gerichtskosten von 885,00 EUR, sodass insgesamt 4.895,30 EUR vom Mandanten zu tragen sind.
Rz. 364
Hinzu kommen ferner Auslagen für Zeugen oder, wenn das Einholen eines (teuren) Sachverständigengutachtens erforderlich sein sollte, dessen Gebühren und Auslagen.
Rz. 365
Grundsätzlich muss aber in Erwägung gezogen werden, dass das Gerichtsverfahren – bei einem berufungsfähigen Streitwert von über 600,00 EUR – zwei Instanzen durc...