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Im Gegensatz zur fahrerlaubnisrechtlichen Begrifflichkeit des Alkoholmissbrauchs basiert die Definition der Alkoholabhängigkeit auf der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10[70] und hat entsprechende Berücksichtigung in den Begutachtungsleitlinien gefunden.[71]

Maßgebend für die Klärung der Wiederherstellung der Eignung ist die Regelung gem. Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV i.V.m. Nr. 3.11.2 der Begutachtungs-Leitlinien.

Die sichere Diagnose "Abhängigkeit" kann nur nach den Diagnosekriterien, also nur gestellt werden, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren:

ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren;
verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums;
ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums nachgewiesen durch die substanzspezifischen Entzugssymptome oder durch die Aufnahme der gleichen oder einer nahe verwandten Substanz, um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden;
Nachweis einer Toleranz: um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkungen der psychotropen Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich (eindeutige Beispiele hierfür sind die Tagesdosen von Alkoholikern und Opiatabhängigen, die bei Konsumenten ohne Toleranzentwicklung zu einer schweren Beeinträchtigung oder sogar zum Tode führen würden);
fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen;
anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen, wie z.B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, depressive Verstimmungen oder Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus[72] infolge starken Substanzkonsums oder drogenbedingte Verschlechterung kognitiver Funktionen. Es sollte dabei festgestellt werden, dass der Konsument sich tatsächlich über Art und Ausmaß der schädlichen Folgen im Klaren war oder dass zumindest davon auszugehen ist.

Von hohen Promillezahlen (> 3 ‰),[73] ist auszugehen, sofern lediglich geringfügige Ausfallerscheinungen feststellbar sind oder wenn diese am Vormittag festgestellt werden,[74] also auf eine erhebliche Gewöhnung schließen lassen. Aber auch die Hinweise aus Strafverfahren wie auch die Einlassungen der Betroffenen über ein ungewöhnliches oder abnormes Trinkverhalten, rechtfertigen den Verdacht einer Abhängigkeit.

[70] ICD: International Classification of Diseases – ein von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenes Manual aller anerkannter Krankheiten und Diagnosen, online in der derzeit aktuellen Version unter http://www.icd-code.de/icd/code/ICD-10-GM.html zu finden (abgerufen am 23.5.2017).
[71] BASt, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Heft M 115, Ausgabe Dezember 2016, Kapitel 3.13.2.
[72] VGH München v. 16.12.2013 – 11 CS 13.2107, BeckRS 2014, 45239.
[73] VG Neustadt v. 17.1.2005 – 4 L 2998/04, ADAJUR Dok.Nr. 62631 (Ls.).
[74] VG Neustadt v. 29.5.2013 – 1 L 372/13, BeckRS 2013, 52525.

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