Rz. 131

§ 151 Nr. 1 FamFG erfasst als Grundsatznorm alle Verfahren – und dies im weitesten Sinne –, die sich mit der Bestimmung der Person, ihrer Rechte oder Pflichten als Sorgeberechtigte befassen. Hierzu gelten jetzt also auch die früher in § 640 Abs. 2 Nr. 3 ZPO geregelten Verfahren betreffend

die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elterlichen Sorge eines Beteiligten für den anderen,
Fragen bei Übernahme der elterlichen Sorge bei nicht verheirateten Partnern,[118]
Verfahren im Zusammenhang mit der Namensgebung des Kindes,[119]
Verfahren im Zusammenhang mit Fragen der religiösen Kindererziehung (§§ 2, 3, 7 RelKErzG),
Verfahren betreffend Fragen zur Ehemündigkeit (§ 1303 BGB),
Verfahren über die Ersetzung der Zustimmung eines Elternteils etwa bei Fragen zum Wohnungswechsel,
Verfahren zu Verfügungsgenehmigungen gem. §§ 1643, 1645 BGB.

Sind allerdings die Tatbestände in § 151 Nr. 2 bis 8 FamFG erfüllt, sind diese gegenüber Nr. 1 die spezielleren Vorschriften.[120]

 

Rz. 132

Über § 151 Nr. 1 FamFG werden daher nicht nur die Sachverhalte zu Fragen der Anordnung der elterlichen Sorge, sondern Streitigkeiten in allen Angelegenheiten erfasst, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind.[121] Der Kreis der Angelegenheiten ist identisch mit demjenigen in § 1628 S. 1 BGB wonach das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind einem Elternteil übertragen kann.

 

Rz. 133

In all diesen Fallbereichen kann unter Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes eine Klärung bei dem Familiengericht herbeigeführt werden, wobei hier folgende Bereiche betroffen sind:

Einräumung der Mitsorge bei nicht verheirateten Eltern
Entzug des Sorgerechts bzw. Mitsorgerechts und Übertragung der alleinigen Sorge[122]

Andere Fälle sind über § 1628 BGB zu lösen, also bspw.:

Übertragung des alleinigen Entscheidungsrechtes bei Aufenthaltsbestimmungsfragen[123]
Streitigkeiten im Zusammenhang mit Ausbildungsfragen[124]
die Zustimmung zu ärztlichen Eingriffen[125]

Streitigkeiten über Reisen, bei denen ein Elternteil seine Zustimmung verweigert

Die Verweigerung kann hier auch die Erteilung eines Kinderausweise oder die Beschaffung eines Kindervisums, bei welchem beide Elternteile ihre Zustimmung erteilen müssen, betreffen. Reisen mit Kindern im EG-Bereich sind allerdings keine Angelegenheit "von erheblicher Bedeutung", es sei denn, dass es sich um ein Krisengebiet wie etwa den Kosovo oder Albanien handelt.[126] Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung dürften aber in jedem Falle Fernreisen betreffen.[127]

Streitigkeiten über die Namenserteilung[128]
Streitigkeiten über Vermögensfragen, wobei auch hier einstweilige Anordnungen regelmäßig dann möglich sind, wenn z.B. bei vorhandenem ererbtem Vermögen gemeinschaftlicher Kinder der eine Elternteil eine Anlage beabsichtigt, mit welcher der andere mitsorgeberechtigte Elternteil nicht einverstanden ist.
[118] OLG Darmstadt FamRZ 2000, 632.
[120] Vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 519.
[121] Grüneberg/Götz, § 1687 Rn 5–7; vgl. BVerfG FamRZ 2012, 938 f. (Voraussetzung des Entzuges der elterlichen Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung).
[122] OLG München v. 4.11.2015 – 12 UF 1302/15, FamRZ 2016, 245: nur in kindeswohlrelevanten Extremfällen.
[123] OLG Nürnberg FamRZ 2000, 1603: Mitnahme des Kindes bei Auswanderung; OLG Frankfurt FamRZ 2003, 1491; OLG Dresden FamRZ 2007, 923; Erlaubnis zur Freizeitgestaltung Discobesuch oder Reisen mit Freunden im Alter von 15/16 Jahren.
[124] Schulwechsel, OLG Nürnberg FamRZ 1999, 1160; OLG Dresden FamRZ 2003, 1489; OLG München FamRZ 1999, 111; Heim- bzw. Internatunterbringung: OLG Hamburg FamRZ 2001, 1088.
[125] KG FamRZ 2006, 142; nicht aber die allgemeine medizinische Versorgung bei Alltagserkrankungen wozu wohl auch Schutzimpfungen gerechnet werden, vgl. vorgenannte Kammergerichtsentscheidung; OLG Brandenburg v. 29.10.2013 – 13 UF 208/13: Entziehung Aufenthaltsbestimmungsrecht bei psychischer Erkrankung des Kindes durch EA; OLG Hamm v. 30.8.2013 – III 3 UF 133/13: Beschneidungen.
[127] OLG Naumburg FamRZ 2000, 1241: Reise nach Kanada mit zweijährigem Kind, OLG Köln FamRZ 2005, 644: Urlaubsreise nach Katar mit zwei 5 – bzw. 7-jährigen Kindern; OLG Köln FamRZ 1999, 249: Reise nach Ägypten mit kleinem Kind; OLG Hamburg FamRZ 2012, 652: Reise einer aus Kasachstan stammenden Mutter mit zwei Kindern nach Kasachstan.
[128] BGH Rpfleger 2001, 73; OLG Bamberg RR 2000, 600; OLG Naumburg FamRZ 2001, 570; Oelkers/Kreutzfeld, FamRZ 2000, 645.

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