Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
1. Allgemeines
Rz. 129
Für den Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes ist im Verfahren in Kindschaftssachen anders als in Familienstreitsachen von Bedeutung, dass das Gericht von Amtswegen einstweilige Anordnung gem. § 49 ff. FamFG treffen kann und – wie im Gesetz erwähnt – bei Kindeswohlgefährdung gem. § 157 Abs. 3 FamFG von Amts wegen überprüfen muss, inwieweit mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung einer solchen Gefährdung des Kindes begegnet werden kann.
Wegen des Vorrang- und Beschleunigungsgebots des § 155 FamFG hat das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Familienrecht allerdings an Bedeutung verloren.
Rz. 130
Des Weiteren kann das Gericht – wiederum von Amts wegen – dann, wenn in einer mündlichen Verhandlung zur Regelung des Aufenthalts des Kindes, zum Umgangsrecht oder zur Herausgabe des Kindes keine Einigung erzielt werden konnte, mit den Beteiligten und dem Jugendamt den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung erörtern. Hierzu ist das Gericht gem. den §§ 49, 51 Abs. 1 FamFG befugt, wonach die einstweilige Anordnung auch von Amts wegen – ohne Antrag – erlassen werden kann.
Dies ist allerdings für die reinen Antragsverfahren etwa auf Übertragung der elterlichen Sorge nach Getrenntleben (§ 1671 Abs. 1 BGB) und auch für die Verfahren nach § 1632 BGB anders, da hier auch der Erlass der einstweiligen Anordnung einen Antrag voraussetzt. Vor Erlass der einstweiligen Anordnung soll allerdings das Gericht das betroffene Kind persönlich anhören.
2. Einstweiliger Rechtsschutz im Bereich der elterlichen Sorge
a) Allgemeines
Rz. 131
§ 151 Nr. 1 FamFG erfasst als Grundsatznorm alle Verfahren – und dies im weitesten Sinne –, die sich mit der Bestimmung der Person, ihrer Rechte oder Pflichten als Sorgeberechtigte befassen. Hierzu gelten jetzt also auch die früher in § 640 Abs. 2 Nr. 3 ZPO geregelten Verfahren betreffend
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die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elterlichen Sorge eines Beteiligten für den anderen, |
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Fragen bei Übernahme der elterlichen Sorge bei nicht verheirateten Partnern, |
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Verfahren im Zusammenhang mit der Namensgebung des Kindes, |
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Verfahren im Zusammenhang mit Fragen der religiösen Kindererziehung (§§ 2, 3, 7 RelKErzG), |
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Verfahren betreffend Fragen zur Ehemündigkeit (§ 1303 BGB), |
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Verfahren über die Ersetzung der Zustimmung eines Elternteils etwa bei Fragen zum Wohnungswechsel, |
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Verfahren zu Verfügungsgenehmigungen gem. §§ 1643, 1645 BGB. |
Sind allerdings die Tatbestände in § 151 Nr. 2 bis 8 FamFG erfüllt, sind diese gegenüber Nr. 1 die spezielleren Vorschriften.
Rz. 132
Über § 151 Nr. 1 FamFG werden daher nicht nur die Sachverhalte zu Fragen der Anordnung der elterlichen Sorge, sondern Streitigkeiten in allen Angelegenheiten erfasst, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind. Der Kreis der Angelegenheiten ist identisch mit demjenigen in § 1628 S. 1 BGB wonach das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind einem Elternteil übertragen kann.
Rz. 133
In all diesen Fallbereichen kann unter Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes eine Klärung bei dem Familiengericht herbeigeführt werden, wobei hier folgende Bereiche betroffen sind:
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Einräumung der Mitsorge bei nicht verheirateten Eltern |
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Entzug des Sorgerechts bzw. Mitsorgerechts und Übertragung der alleinigen Sorge |
Andere Fälle sind über § 1628 BGB zu lösen, also bspw.:
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Übertragung des alleinigen Entscheidungsrechtes bei Aufenthaltsbestimmungsfragen |
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Streitigkeiten im Zusammenhang mit Ausbildungsfragen |
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die Zustimmung zu ärztlichen Eingriffen |
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Streitigkeiten über Reisen, bei denen ein Elternteil seine Zustimmung verweigert Die Verweigerung kann hier auch die Erteilung eines Kinderausweise oder die Beschaffung eines Kindervisums, bei welchem beide Elternteile ihre Zustimmung erteilen müssen, betreffen. Reisen mit Kindern im EG-Bereich sind allerdings keine Angelegenheit "von erheblicher Bedeutung", es sei denn, dass es sich um ein Krisengebiet wie etwa den Kosovo oder Albanien handelt. Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung dürften aber in jedem Falle Fernreisen betreffen. |
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Streitigkeiten über die Namenserteilung |
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Streitigkeiten über Vermögensfragen, wobei auch hier einstweilige Anordnungen regelmäßig dann möglich sind, wenn z.B. bei vorhandenem ererbtem Vermögen gemeinschaftlicher Kinder der eine Elternteil eine Anlage beabsichtigt, mit welcher der andere mitsorgeberechtigte Elternteil nicht einverstanden ist. |