a) Allgemeines
Rz. 97
§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB regelt eine Ausnahme vom Grundsatz der Einstimmigkeit: Zwar ist auch bei ordnungsgemäßer Verwaltung Einstimmigkeit erforderlich. Hier sind die Erben jedoch verpflichtet mitzuwirken, umso das gemeinschaftliche Handeln i.S.v. § 2038 S. 1 BGB zu gewährleisten. Bei außerordentlicher Verwaltung i.S.v. § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB kann hingegen bereits ein Erbe die Handlungsfähigkeit der Erbengemeinschaft blockieren, indem er seine Zustimmung bzw. Mitwirkung verweigert. Gezwungen werden kann er dann nicht.
Rz. 98
Die Mitwirkungspflicht besteht nach dem ausdrücklichen Wortlaut nur unter den Miterben. Ein Dritter kann daher weder von einem Miterben die Mitwirkung zu einer Verwaltungshandlung verlangen, noch kann er aus dem Unterlassen Schadensersatzansprüche herleiten. Der Dritte kann sich aber von einem Miterben dessen Anspruch abtreten lassen oder im Wege der Prozessstandschaft geltend machen. Zur Mitwirkungspflicht i.S.v. S. 2 gehört nicht lediglich die Zustimmung zum Handeln der Gemeinschaft. "Mitwirkung zu Maßregeln" ist hier weiter zu verstehen und umfasst ggf. auch eigenes aktives, auch rechtsgeschäftliches Handeln. Diese Verpflichtung kann im Klageweg erzwungen werden, wobei der Klageantrag ausschließlich gegen die Erben zu richten ist, die eine Mitwirkung entweder in Form ihrer Zustimmung oder einer Handlung verweigern. Die Anträge sind auf eine Maßnahme zu richten, die dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechen muss.
b) Maßnahme war Fall ordnungsgemäßer Verwaltung, Mehrheitsbeschluss liegt vor
Rz. 99
Der Mehrheitsbeschluss gewährt den handelnden Erben Vollmacht, die Erbengemeinschaft als Ganzes auch im Außenverhältnis zu verpflichten.
c) Maßnahme war kein Fall ordnungsgemäßer Verwaltung
Rz. 100
War eine Maßnahme für die Erhaltung des Nachlasses ungeeignet, so ist sie weder für die Miterben verbindlich noch nach außen wirksam. Es bleibt jedoch zu prüfen, ob die Erbengemeinschaft eventuell nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet wird. Es erscheinen aber kaum Maßnahmen denkbar, die zwar die Voraussetzungen des § 683 BGB erfüllen (Geschäftsführung entsprach Interesse und wirklichem oder mutmaßlichem Willen des Geschäftsherrn), jedoch kein Fall der ordnungsgemäßen Verwaltung sind. Daher wird sich meist ein Anspruch der Erbengemeinschaft gegenüber dem Handelnden aus § 678 BGB ergeben.
d) Verletzung der Mitwirkungspflicht
aa) Im Vorfeld der Maßnahme
Rz. 101
Im Vorfeld einer Maßnahme, die einen Mehrheitsbeschluss erfordert, kann die Mitwirkung der Miterben im Klageweg erzwungen werden. Zu verklagen sind die Erben, die entweder gegen die Maßnahme gestimmt oder sich überhaupt nicht an der Verwaltung beteiligt haben.
Praxishinweis
Liegt ein Beschluss der Erbengemeinschaft noch nicht vor, ist ausschließlich die weiter reichende Klage auf Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme zu erheben. Für eine Feststellungsklage besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Das obsiegende Urteil gegen einen Miterben, der seine Mitwirkung verweigert hat, ersetzt gem. § 894 ZPO dessen verweigerte Zustimmung. Daher muss die abzugebende Willenserklärung in dem Urteil inhaltlich so bestimmt und eindeutig bezeichnet sein, dass ihre rechtliche Bedeutung feststeht. Notfalls kann hier eine Auslegung durch Heranziehen des Tatbestands und der Entscheidungsgründe erfolgen.
Handlungen werden nach §§ 887, 888 ZPO vollstreckt.
Rz. 102
Die sich widersetzenden Erben können sich schadensersatzpflichtig machen, wenn sie ihre Mitwirkungspflichten schuldhaft verletzen. Die Anspruchsgrundlage ist § 280 Abs. 1 BGB (positive Forderungsverletzung).
bb) Im Nachhinein
Rz. 103
Mitwirken bedeutet nicht ausschließlich ein Handeln oder eine Einwilligung (vorherige Zustimmung, § 183 S. 1 BGB) im Vorfeld der Verwaltungsmaßnahme. Handelt der Miterbe zunächst ohne einen Mehrheitsbeschluss, so erfolgt dies auf eigenes Risiko. Er läuft dann Gefahr, schlussendlich allein für die Maßnahme mit seinem Vermögen zu haften. Er kann jedoch gleichwohl ggf. noch auf Genehmigung (nachträgliche Zustimmung, § 184 Abs. 1 BGB) seiner Maßnahme klagen, um hierdurch eine Haftung auch der übrigen Erben zu erreichen.
Rz. 104
Geht es ausschließlich um Aufwendungsersatz und kommt es dem Miterben nicht darauf an, die übrigen Erben auch sonst in die Haftung zu nehmen, so kann der Miterbe sogleich auf Zahlung klagen. Hierbei muss der klagende Miterbe den auf sich selbst entfallenden Anteil an den Aufwendungen abziehen.