I. Allgemeines
Rz. 54
Die Haftung der Miterben richtet sich zunächst nach den allg. Bestimmungen der §§ 1967–2017 BGB. Jeder Miterbe hat daher auch dieselben Möglichkeiten wie der Alleinerbe, die Haftung zu beschränken. Diese Vorschriften werden ergänzt durch §§ 2062, 2063 BGB: Nach § 2062 BGB kann die Anordnung der Nachlassverwaltung von den Erben nur gemeinschaftlich beantragt werden. Nach § 2063 Abs. 1 BGB kommt die Inventarerrichtung grundsätzlich allen Erben zustatten. Gem. § 2063 Abs. 2 BGB kann sich ein Miterbe gegenüber den anderen Miterben auch dann auf eine Haftungsbeschränkung berufen, wenn er im Übrigen bereits unbeschränkt haftet.
Rz. 55
Praxishinweis (Lösung Frage 1 – Rdn 1)
Die Erbengemeinschaft kann – ebenso wie der Alleinerbe – die Drei-Monats-Einrede gem. § 2014 BGB erheben und ggf. mit einer Vollstreckungsgegenklage die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (zunächst) abwehren. Nach h.M. hat die Einrede jedoch lediglich prozessuale und vollstreckungsrechtliche Wirkung jedoch keine materiell rechtliche. Daher geraten die Erben trotz der Drei-Monats-Einrede mit der Leistung in Verzug.
Rz. 56
Daneben gibt es für die Erbengemeinschaft die besonderen Vorschriften der §§ 2058–2061 BGB, die den Besonderheiten der Erbengemeinschaft Rechnung tragen. Von den allg. Vorschriften zur Haftungsbegrenzung werden nachfolgend zwei ebenso praxisrelevante wie häufig übersehene besonders erläutert.
II. Haftung des minderjährigen Miterben, § 1629a BGB
Rz. 57
§ 1629a BGB gewährt dem Minderjährigen einen Schutz davor, dass er mit Schulden oder sonstigen Verpflichtungen in die Volljährigkeit "startet", die sein gesetzlicher Vertreter für ihn begründet hat: Nach § 1629a Abs. 1, S. 1 3. Alt. BGB sind Verbindlichkeiten, die von einem Erwerb von Todes wegen während der Minderjährigkeit herrühren, auf das Vermögen des Minderjährigen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhanden ist. Wenn sich der Miterbe auf die Haftung beruft, sind gem. § 1629a Abs. 1 S. 2 BGB die §§ 1990, 1991 BGB entsprechend anzuwenden. § 1629a Abs. 4 BGB enthält eine gesetzliche Vermutung, dass Verbindlichkeiten nach dem Eintritt der Volljährigkeit entstanden sind, wenn der Volljährige nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Volljährigkeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (§ 2042 BGB) verlangt hat. Da es sich lediglich um eine Vermutung handelt, kann der Volljährige durch geeignete Nachweise das Gegenteil darlegen.
III. Haftung für Unternehmen im Nachlass
Rz. 58
Für bereits eingegangene Verbindlichkeiten haften Miterben gem. §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 1 HGB persönlich und unbeschränkt. Der Miterbe kann die unbeschränkte Haftung verhindern, wenn er innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von dem Erbfall die Fortführung des Geschäfts einstellt, § 27 Abs. 2 S. 1 HGB. Diese Frist läuft gem. § 27 Abs. 2 S. 2 HGB nicht vor der Frist zur Ausschlagung der Erbschaft gem. § 1944 BGB ab.
IV. Haftung der Erben, §§ 2058 ff. BGB
Rz. 59
Die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten durch die Erbengemeinschaft gegenüber Dritten ist in den §§ 2058–2061 BGB geregelt.
1. Bis zur Teilung
Rz. 60
Bis zur Teilung (Auseinandersetzung) des Nachlasses haften die Erben als Gesamtschuldner grundsätzlich in voller Höhe, können aber die Befriedigung aus dem Eigenvermögen verweigern (und haften dann ausschließlich mit dem Nachlass), §§ 2058, 2059 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Gläubiger hat ein Wahlrecht, ob er Gesamtschuld- oder Gesamthandsklage erhebt. "Geteilt" ist der Nachlass jedenfalls, sobald die Auseinandersetzung vollzogen ist. Ungeklärt ist es bislang, ab wann der Nachlass "geteilt" ist i.S.v. §§ 2059, 2060 BGB. Genügt der Beginn der Teilung (z.B. wird lediglich das Guthaben eines Kontos unter den Erben aufgeteilt) oder bedarf es der Teilung des "überwiegenden Nachlasses"? Dann würde die Frage anschließen, wie "überwiegend" zu definieren wäre: mehr als die Hälfte? Oder mehr als an Nachlassverbindlichkeiten noch nicht vorhanden ist oder war? Was wäre dann, wenn nachträglich Nachlassverbindlichkeiten bekannt werden (z.B. Steuerverbindlichkeiten)?.
Praxishinweis
Der Wunsch des Mandanten geht meist dahin, "schon mal etwas zu verteilen". Insbesondere die "leicht" zu verteilenden Nachlassgegenstände wie Konten und Depots werden dann häufig "vorgezogen".
Dies birgt einerseits die o.g. Gefahr der unbeschränkten Haftung des Mandanten mit seinem Eigenvermögen gem. §§ 2059, 2060 BGB für bekannte, aber auch für zunächst unbekannte und später auftauchende Nachlassverbindlichkeiten. Schlägt dann der Gesamtschuldnerausgleich fehl und der Mandant muss mehr tragen als es seiner Erbquot...